Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
genieße seine Enttäuschung, siehst du, niemand ist gestorben, nur du wärst es fast, Gili lebt, und ich lebe, wie ich noch nie gelebt habe, weil du es nicht zugelassen hast, ausgerechnet du, der du mir das Leben geschenkt hast, hast mich davon abgehalten, und dann steht er auf und schüttelt anerkennend Odeds Hand, ich danke Ihnen noch einmal, sagt er, kommen Sie doch bei Gelegenheit einmal bei mir vorbei, ich würde mich sehr freuen, mit Ihnen über Ihr Fachgebiet zu diskutieren, gerade habe ich einen spannenden Artikel gelesen, der Zweifel an den Fähigkeiten der Menschen zu einer Veränderung erhebt, ich würde mich freuen, Ihre Meinung zu hören, und höflich wiederholt er, ja, kommen Sie doch einmal vorbei, er beharrt darauf, ihn im Singular anzusprechen, als weigere er sich, unser Wir anzuerkennen, und Oded lächelt ihn an, danke, ich werde es versuchen.
Die dunkle kalte Faust der Nacht schlägt uns plötzlich entgegen, als wir aus dem Haus treten, die Straßenlaternen sind schon aus, trotz der frühen Stunde, und der Mond reißt einen schmalen Lichtspalt in den Himmel, ich halte Odeds Arm fest, versuche, das Wir zu intensivieren, eine wilde Freude schmiedet mich an ihn, als sei es nur ihm zu danken, dass ich hier gehe, als habe sich nur seinetwegen der Fluch gelöst, der aus dieser lilafarbenen Kehle hervorgebrochen war, mit geübten Fingern hat er ihn für mich herausgezogen, und es ist nicht nur der Fluch, der vor einigen Monaten für meinen Sohn bestimmt war, sondern auch der viel ältere Fluch, der sich bei meiner Geburt auf mich legte, ausgerechnet aus dem Mund desjenigen, der mir das Leben gegeben hat. Dankbar schmiege ich mich an ihn, küsse seinen kalten Hals, seine Lippen, an denen noch der Geschmack des süßen Auflaufs haftet, und plötzlich brenne ich darauf, mich ihm hinzugeben, ihm so vollkommen anzugehören, als wäre ich ein Teil von ihm, ich bin bereit, ihn in einen der Hinterhöfe zu zerren, meinen Mantel auszuziehen und mich unter dem mit blassen Sternen übersäten Himmel auszustrecken, er atmet genussvoll, warum hier draußen, in der Kälte, murmelt er, komm nach Hause, und dieses Wort, nach Hause, wird mir wie ein zusätzliches Geschenk überreicht, ich gehe schweigend neben ihm her, meine Hand um seine Hüfte gelegt, seine Haut verströmt einen schwachen Duft nach Lavendel, und jeder Schritt bringt uns näher nach Hause, zu dem Palast, der in der Dunkelheit leuchtet.
Ich bin froh, dass du mich heute Abend mitgenommen hast, sagt er schließlich, nachdem ich mich schon mit dem Schweigen abgefunden habe, und ich frage, warum, und er sagt, weil ich dich jetzt noch mehr liebe, und ich klammere mich an diesen Satz, der so dahingesagt ist, und zerlege ihn in zwei Sätze, ich liebe dich, ich liebe dich noch mehr, und ausgerechnet der erste, der grundlegendere von beiden, der noch nie ausgesprochen wurde, begleitet unsere Schritte wie ein Echo, beruhigt durch seine Absolutheit, während der zweite, von dem ersten abhängige, etwas zweifelhaft ist, denn wenn es möglich ist, mehr zu lieben, gibt es auch ein Wenigerlieben, und wie beängstigend das ist, weniger zu lieben, weniger geliebt zu werden, und ich bin so beschäftigt mit diesen Gedanken, dass ich nicht frage, warum, und auch nicht auf die Richtung achte, in die wir gehen, was spielt es für eine Rolle, welchen Weg er wählt, die Hauptsache ist doch, dass wir nach Hause gehen, zu dem neuen Wir, das uns dort erwartet, und mir kommt es vor, als wäre das unser gesamter gemeinsamer Wortschatz, wir, nach Hause, ich liebe dich, mehr, und es sind die vollendetsten Wörter, die ich je gehört habe, ich brauche keine anderen.
Arm in Arm gehen wir durch die dunklen Straßen, gewöhnen uns jeder an die Dimensionen des anderen, seine Schulter ist mir näher als Amnons Schulter, die sich schwer und drohend über mich erhoben hat, sein Körper ist knochiger, gesammelter, respektiert die Grenzen des anderen, beachtet seine eigenen. Es ist, als würden sich seine Schritte plötzlich verlangsamen, als er zögernd fragt, macht es dir etwas aus, wenn wir uns eine Weile hier hinsetzen? Ich schaue mich erstaunt um, ich habe nicht gemerkt, wohin mich seine Schritte geführt haben, auf einmal sind wir an dem kleinen Spielplatz gegenüber seiner früheren Wohnung, und ich frage, wie sind wir überhaupt hierher gekommen, und er sagt, meine Füße sind daran gewöhnt, hierher zu gehen, und ich nehme diese Erklärung misstrauisch an, setze mich mit ihm auf das
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