Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
Art Freund der Familie ist. Wenn es nach meinen Eltern ginge, müsste ich als Sühne für meinen Fehler allein alt werden, müsste mein Leben ausschließlich Gili widmen, dem ich Unrecht zugefügt habe, das höre ich aus dem harten Klappern der Löffel in den Schüsselchen, das habe ich eigentlich mein Leben lang gehört, immer war das Auftauchen eines Liebhabers sofort mit Schuld verbunden, als handelte es sich um einen unsühnbaren Betrug, einen Betrug an der unausgesprochenen Verpflichtung ihnen gegenüber, an dem Auftrag, für den sie mich bestimmt haben, aber vorläufig scheint sich mein Vater beruhigt zu haben, sein Interesse hält sich in Grenzen, die vage Antwort befriedigt seine Neugier, mehr braucht er vom Leben des anderen nicht zu wissen, schließlich ist es nur ein schwaches Echo seines eigenen Lebens, und jede Leistung eines anderen schmälert seine eigene, und schon erhebt er seine Stimme, wie es seine Art ist, und erzählt von sich, angespornt durch die Anwesenheit des Gastes.
Ich bin diese Woche von einem Kongress in Mexico City zurückgekommen, verkündet er, bei dem es um den neuen Antisemitismus ging, ihr werdet es nicht glauben, was dort gesagt wurde, unerträgliche Dinge, die Juden seien selbst schuld an dem Hass gegen sie, weil sie zu verschieden und gleichzeitig zu ähnlich seien, zu stark und gleichzeitig zu schwach, zu lebendig und zu tot, jedenfalls sind sie immer verantwortlich. Ist euch klar, dass es heute in einigen Ländern das Phänomen des Antisemitismus ohne Juden gibt? Der Jude existiert gleichsam universal, genau wie Sartre gesagt hat, der Antisemit ist es, der den Juden erschafft, um seine Ängste vor sich selbst auf ihn zu projizieren, nicht vor den Juden fürchtet er sich, sondern vor sich selbst, vor seiner Freiheit, vor seiner Einsamkeit, und ich habe zu ihnen gesagt, erforschen Sie sich aufrichtig, meine Herren, vielleicht fürchten Sie auch sich selbst. Vielleicht fürchten Sie sich vor einer Veränderung, er spricht nun noch lauter, wendet sich mit Nachdruck an uns, als wären wir diejenigen, die Widerwillen und Abscheu in ihm auslösten.
David, du isst gar nicht, beschwert sich meine Mutter, ich möchte jetzt den Fisch servieren, und er unterbricht für einen Moment seinen Vortrag und löffelt hastig die inzwischen kalt gewordene Suppe, es fehlt schon wieder Salz, verkündet er und schnalzt unwillig mit der Zunge, und sie protestiert, aber beim letzten Mal hast du gesagt, die Suppe wäre versalzen, erinnerst du dich, Ellinka, dass er das gesagt hat? Und für einen Moment schauen sie mich beide gespannt an, wem würde ich diesmal beistehen, denn das ist die einzige Aufgabe einer einzigen Tochter, die selbst fast überflüssig ist, schließlich kümmert sich der Vater um seine eigenen Angelegenheiten und die Mutter um den Vater. Was spielt das für eine Rolle, beklage ich mich, warum soll ich mich überhaupt daran erinnern, obwohl ich mich genau daran erinnere, dass es so war, und er sagt, das habe ich nie gesagt, du nimmst immer zu wenig Salz, und dann fällt ihm wieder ein, dass wir einen Gast haben, er bricht in lautes, gezwungenes Lachen aus und schiebt die Diskussion beiseite, und sie räumt gekränkt die noch halb volle Schüssel ab und stellt eine Scheibe saftigen rosafarbenen Lachs vor ihn hin, gesprenkelt mit schwarzen Pfefferkörnern.
Fast ohne Gräten, verkündet sie stolz, als habe sie höchstpersönlich das Netz ausgeworfen, und sofort bekomme auch ich ein Stück Fisch, etwas kleiner als seins, und auch ihr Teller füllt sich, und dann häuft sie Nudelauflauf auf den Teller des Gastes, schlägt bedauernd die Hände zusammen, oh, es gibt nicht genug Fisch, entschuldigen Sie, Ohad, der Junge mag keinen Fisch, deshalb habe ich Auflauf gemacht, und ich korrigiere sie, Oded, nicht Ohad, und biete ihm sofort meine Portion an, nimm meinen Fisch, ich habe wirklich keinen Hunger, und er betrachtet uns amüsiert, kein Problem, ich esse den süßen Auflauf mit Vergnügen, meine Mutter hat immer genau den gleichen gemacht, zwischen seinen Fingern lächelt Mickymaus von dem Zwergenbesteck, aber er isst genüsslich, lobt den Auflauf, und meine Mutter erkundigt sich, ob auch kein Zucker fehlt, bevor sie selbst anfängt zu essen, und er sagt, nein, es fehlt gar nichts, und ignoriert die Unhöflichkeit, die ihm zuteil wurde.
Mein Vater lässt nicht locker, der neue Antisemitismus verkleidet sich als Antinationalismus, verkündet er, man bezeichnet uns als reaktionären
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