Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
Vom Netzwerk:
still auf den Fenstern seiner Wohnung ruht, als wäre die Hauswand die Tempelmauer, an die er sein Gebet richtet, und als das Weinen, das schon nicht mehr ein Weinen ist, sondern eine Art Dibbuk, der in mich gefahren ist, langsam nachlässt und zu einem wilden, abgehackten Atmen wird, höre ich ihn beruhigende Worte flüstern, genug, genug, es reicht, mein Mädchen, alles wird gut, geh schon schlafen, und mir ist klar, dass er nicht mich damit meint, sondern seine Tochter, die jetzt ins Bett geht, denn da geht das Licht aus, die goldenen Linien verlöschen, und er wartet ein bisschen, dann erhebt er sich mit einem Seufzer vom Karussell, das sofort mit einer zappelnden Umdrehung antwortet, und sagt zu mir, komm, sie schlafen schon, als wäre diese Nachricht dazu bestimmt, mich zu beruhigen, als hätte ich jetzt keinen Grund mehr zu weinen, denn sie schlafen endlich, Maja und Jotam.
    Ich bleibe hier, und um meinen Worten Nachdruck zu verleihen, klammere ich mich mit der Hand an das kleine wacklige Lenkrad, und er betrachtet mich erstaunt, sein Blick wird hart, seine Augenbrauen ziehen sich zusammen, die Falte zwischen ihnen wird tiefer, schade, zischt er, du verhältst dich wie ein kleines Kind, reiß dich zusammen und werde erwachsen, du hast keine Wahl, und ich schüttle den Kopf, ich bleibe hier, und sehe, wie sich auf seinem Gesicht der Entschluss breit macht, aufzugeben, mich nicht weiter zu überreden. In Ordnung, stößt er aus, wie du willst, du weißt, wo du mich finden kannst, und diesmal bindet er mich nicht mit einem Kuss an sich, sondern steigt vom Karussell hinunter und dreht mir den Rücken zu, geht zwischen den verlassenen Geräten hindurch, vorbei an dem verrosteten Blechpferd, an der mit Sand bedeckten Steinrutsche, und verlässt, den Blick auf die Straße gerichtet, mit steifen Schritten den Spielplatz, als ginge er auf Stelzen, und lässt mich zusammengekauert auf dem Karussell zurück, und ich betrachte nun statt seiner das Haus, das er verlassen hat, die meisten Zimmer sind dunkel, nur das Wohnzimmer ist beleuchtet, aber vielleicht ist es auch die Küche. Vielleicht spült sie ja gerade das Geschirr vom Abendessen, drei Teller, drei Schüsselchen, drei Gläser, und ihre Hände, die an vier gewöhnt sind, zittern unter dem Wasserstrahl, und ich weiß, dass ich aufstehen und weggehen muss, aber eine unerträgliche Schwere nagelt mich fest, wie das verrostete Blechpferd bleibe ich bewegungslos auf meinem Platz, auf dem armseligen Karussell, am Morgen werde ich von Passanten gefunden werden, eine seltsame Obdachlose, mit warmem Mantel und vollem Geldbeutel, und ich bedecke meine nassen Knie mit dem Mantel, die geschwollenen und juckenden Hände in die engen Taschen geschoben, die von Sekunde zu Sekunde enger zu werden scheinen, die Versteifung der Glieder führt zu einer Versteinerung des Herzens, und trotzdem hat es etwas Tröstliches, die Herrschaft über sich zu verlieren, der freiwillige Verzicht auf die Möglichkeit des Glücks, wen bestrafst du, hat er mich gefragt, und ich strecke mich auf der Bank aus, ein stachliger Schlummer umfängt mich, wie im Gymnasium auf dem Holztisch, bis eine Hand mir durch die Haare fuhr, und ich hob das Gesicht zu den hellen Augen Gilis, des Jungen, der seinen siebzehnten Geburtstag nicht mehr feiern würde. Mir ist, als hörte ich spielende Kinder, und eines von ihnen schreit, Mama, halte das Karussell an, mir ist schlecht, und ich schüttle mich erschrocken, die Sonne scheint noch nicht, aber der Mond richtet seinen konzentrierten Lichtstrahl auf mich, ein seltsamer Mond, ein doppelter Mond, Zwillingslichter steigen aus der Erde empor, als stünde die Welt auf dem Kopf, als wäre der Himmel unten und die Erde oben, und ich blinzle, bis ich verstehe, dass die Scheinwerfer eines Autos auf mich gerichtet sind und das Geräusch eines Motors in meinen Ohren dröhnt, und noch nicht einmal die Angst bringt mich dazu, aufzuspringen und wegzulaufen, und auch als die Tür aufgeht, bleibe ich auf meinem Platz, auch als eine dunkle Silhouette aussteigt und auf mich zukommt, und als ich seine Stimme sagen höre, komm nach Hause, Ella, lege ich den Kopf auf das Lenkrad des Karussells, begreife mit dem letzten Rest meines müden Bewusstseins, was nun passieren wird, er wird unter großer Anstrengung den leblosen Körper aufnehmen, von dem die Lust abgefallen ist, und mit ihr die Selbstbeherrschung, die Verantwortung und die Reife, die Vernunft und die Hoffnung.
    Durch das

Weitere Kostenlose Bücher