Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
dass mir mein Sohn fehlt, bis wir hierher gekommen sind. Oded, hör zu, sage ich, auch deinen Kindern zuliebe musst du dir ein Leben ohne sie aufbauen, sie brauchen dich als einen starken Vater, ist dir das nicht klar? Und er seufzt, Ella, tu mir einen Gefallen, erspar mir diese Klischees, es interessiert dich doch überhaupt nicht, was sie brauchen, du bist versunken in dem, was du selbst brauchst, und ich sage, meinst du das wirklich, was für ein Blödsinn, ich brauche überhaupt nichts von dir, von mir aus stell dir ein Zelt hin und schau genau zu, wann sie weggehen und wann sie nach Hause kommen, aber erwarte nicht von mir, dass ich hier mit dir bleibe, im Gegensatz zu dir habe ich vor, mir ein eigenes Leben zu suchen, auch ich habe einen kleinen Jungen und trotzdem bin ich nicht in den Vorgarten seines Vaters gezogen, und während ich diese Worte spreche, bricht das Weinen eines kleinen Jungen aus meiner Kehle und ich halte mir den Mund zu, meine Verwirrung steigt, denn mir scheint, als wäre es Gilis Weinen, das da hervorbricht, gefährlich wie ein plötzlicher Blutsturz, das Weinen der Schabbatabende einer Familie, die entzweigerissen wurde, das Weinen derjenigen, die von Haus zu Haus wandern, von einem Elternteil zum anderen, die ewige Sehnsucht, die leichte Verwirrung am Morgen, wo bin ich, wenn er mich manchmal Papa nennt, das fehlende Spielzeug, das Bild, das er angefangen hat zu malen und das in der anderen Wohnung vergessen wurde, all die Kleinigkeiten, die ihm Unglück verursachen. Ich denke daran, wie ich ihm gestern den sehnlichst erwünschten Ritter zu Amnons Wohnung gebracht habe, er wollte am Nachmittag mit ihm spielen, aber bis ich dort ankam, war er schon eingeschlafen, mit von Tränen fleckigen Wangen, mit welchem Neid betrachtet er Kinder, die von zwei Elternteilen abgeholt werden, wie sehr beklagt er sich jedes Mal, wenn er ein Bild aus der Schule mitbringt, dass er nicht weiß, wo er es aufhängen soll, bei Mama oder bei Papa, wie sehr bemüht er sich um Ausgewogenheit, wenn ich bei dir bin, vermisse ich Papa, und wenn ich bei Papa bin, vermisse ich dich, und ich lasse mich wieder auf den engen Sitz nieder, senke das Gesicht zwischen die Knie, schäme mich wegen der Tränen, die allem widersprechen, was ich zu sagen versucht habe, Tränen des Egoismus, des Flehens, liebe nur mich, tröste nur mich, beweise mir, dass ich mich nicht geirrt habe.
Langsam und mit Anstrengung legt er seine Hand auf mein Knie, als wisse er nicht recht, ob er mich umarmen will, nachdem ich so hochmütig auf seine Trauer reagiert habe, um gleich danach in meiner eigenen zu versinken, die plötzlich viel drängender wurde, viel lauter, aber es ist zu spät, um einen Rückzieher zu machen, vom Hochmut und von den Tränen, und ich weine noch heftiger, ich kann mich nicht mehr beherrschen, denn vor meinen Augen wechseln die Bilder wie in einem Album, und es sind nicht Bilder der Trauer, sondern Bilder des Glücks, eines furchtsamen, brüchigen, zerbrechlichen Glücks. Da sitzen Amnon und ich spät in der Nacht an Gilis Bett, Fieberfantasien steigen von ihm auf wie Dampf aus einem offenen Topf, und da ist Amnons Hand, die sich nach mir ausstreckt, über dem kleinen unruhigen Körper, seine Finger verflechten sich mit meinen, eine Berührung, die nichts verlangt, und da sind mein Vater und ich, wie wir vor einem Schaufenster stehen, und er deutet auf eine schöne goldene Uhr und fragt, willst du sie, willst du, dass ich sie dir kaufe? Und ich bin überrascht, denn Geschenke von ihm sind selten, und er betritt den Laden mit energischem Schritt, zieht Bargeld aus seiner Tasche, und ich gehe neben ihm her, stolz und aufrecht wie eine Königin am Tag ihrer Krönung, bewege vornehm mein vergoldetes Handgelenk, und am nächsten Morgen fuhr ich mit einem Freund zum Meer, und als wir abends zum Auto zurückkehrten, fanden wir es aufgebrochen, und nichts war gestohlen außer der vergoldeten Uhr, als hätte mein Vater sein Geschenk zurückgeholt, dessen ich nicht würdig war, und dann tauchen weitere Bilder auf, Bilder armseligen Glücks, immer bedroht, immer von kurzer Dauer, immer zweifelhaft, und die ganze Zeit weiß ich, dass der Mann an meiner Seite schon nicht mehr mit mir zusammen ist, dass ich ihn verloren habe, seine schwere Hand auf meinem Rücken wird hart, als wäre sie schon längst erstarrt, und auch darüber trauere ich, und als ich versuche, ihn durch die Wimpern von der Seite anzuschauen, sehe ich, dass sein Blick
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