Liebeslist und Leidenschaft
gut wie die ganze Firma.“
Die Entscheidung ihres Vaters hatte sie schwer getroffen. Und seine Begründung für den Entschluss noch viel mehr! „Warte nur ab“, hatte er gesagt, „irgendwann wirst du dich Hals über Kopf in einen jungen Mann verlieben. Dann heiratest du, bekommst Kinder – und Wilson Wines ist nur noch ein Hobby für dich.“ So eine Unverschämtheit! Jahrelang hatte sie sich für die Firma aufgeopfert, und jetzt tat er so, als wäre das alles nichts gewesen, nur ein netter Zeitvertreib, während sie auf den richtigen Mann wartete! Der Gedanke daran brachte ihr Blut zum Kochen.
„Dad hat mir deutlich zu verstehen gegeben, dass ich ab jetzt nur noch die Nummer zwei bin. Und dass du ihm bei der ganzen Sache geholfen und dich damit auf seine Seite gestellt hast, enttäuscht mich wirklich sehr.“
Wütend ging Nicole auf und ab, während sie auf das Taxi wartete.
„Verdammt, was hätte ich denn tun sollen, Nicole? Ich stand zwischen Baum und Borke. Ich habe ihn förmlich angefleht, dass er mit dir über all das reden soll. Dass er dir wenigstens sagen soll, dass Judd zurückkommt.“
„Dann hast du wohl nicht genug gefleht. Davon abgesehen, hättest du mich ja trotzdem vorwarnen können. Ein Anruf oder eine Mail hätten genügt. Das wäre doch wohl drin gewesen, oder? Du konntest dir doch denken, wie sehr mich das Ganze verletzen würde. Und trotzdem hast du nichts getan.“
„Es tut mir so leid, Nicole. Ich schwöre dir, wenn ich noch mal die Wahl hätte, würde ich anders handeln.“
„Das hilft mir jetzt auch nicht mehr. Ich bin schwer enttäuscht. Alles, wofür ich mein ganzes Leben lang gearbeitet habe, gehört jetzt plötzlich einem Mann, den ich so gut wie gar nicht kenne. Ich weiß ja nicht mal, ob ich noch ein Dach über dem Kopf habe – jetzt, wo Dad das Haus Judd überschrieben hat. Wie würdest du dich in meiner Situation denn fühlen? Hast du darüber mal nachgedacht?“
Von ferne sah sie das Taxi kommen. Na endlich! In der Zwischenzeit hatte sich so viel Zorn in ihr aufgestaut, dass sie am liebsten noch einmal zurück ins Haus gegangen wäre und ihrem Vater ordentlich die Meinung gegeigt hätte. Obwohl das sicher auch nichts geändert hätte.
„Ich muss jetzt los. Ich brauche etwas Distanz, um gründlich über alles nachzudenken.“
„Nein, Nicole, bitte. Komm doch noch mal zurück ins Haus, damit wir von Angesicht zu Angesicht darüber reden können.“
„Nein“, erwiderte Nicole, als das Taxi neben ihr hielt. „Ich habe keine Lust, das noch mal durchzukauen. Bitte ruf mich nicht wieder an, okay?“
Sie beendete das Gespräch, schaltete das Handy dann sicherheitshalber gleich ganz aus und steckte es in ihre Handtasche.
„Viaduct Basin“, wies sie den Fahrer an und stieg ein.
In der Innenstadt von Auckland mit den zahlreichen Bars und Nachtclubs hoffte sie, ein wenig Ablenkung zu finden. Ein Blick in den Taschenspiegel verriet ihr, dass ihr Make-up tränenverschmiert war. Warum nur musste sie immer weinen, wenn sie wütend war? Es geschah nicht oft, dass sie die Fassung verlor, hatte aber dann meist zur Folge, dass die Leute ihre Wut nicht richtig ernst nahmen.
Mit immer noch zitternden Händen erneuerte sie ihr Make-up. Als sie fertig war, betrachtete sie sich halbwegs zufrieden im Taschenspiegel. So konnte sie sich wenigstens wieder unter die Leute wagen.
Sie lehnte sich zurück und versuchte nicht mehr an ihren Vater zu denken, was ihr natürlich nicht gelang. Sein Ton hatte etwas unangenehm Gönnerhaftes gehabt, im Sinne von: Ach, die beruhigt sich schon wieder. Und dann sieht sie auch ein, dass ich in allem recht habe.
„Aber das wird garantiert nicht passieren“, murmelte sie vor sich hin.
„Entschuldigung, Miss, was haben Sie gesagt?“, fragte der Taxifahrer.
„Nichts. Tut mir leid. Ich habe nur mit mir selbst geredet.“
So weit war es schon mit ihr gekommen, dass sie Selbstgespräche führte! Verärgert schüttelte sie den Kopf. Was hatte ihr Vater ihr nur angetan! Nicht nur, dass er ihr Verhältnis zu ihm schwer beschädigt hatte – er hatte auch einen Keil zwischen sie und Anna getrieben und gleichzeitig alle Hoffnung darauf zerstört, dass Judd und sie ein echtes Geschwisterverhältnis aufbauen könnten. Mit einem Schlag gab es niemanden aus ihrer Familie mehr, dem sie vertrauen konnte. Ihrem Vater nicht, ihrem Bruder nicht, auch Anna nicht, die so etwas wie eine Schwester für sie war. Von ihrer Mutter ganz zu schweigen. Cynthia
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