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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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grüßen«, sagte Semjonow und ging zur Tür. »Ich kann mich nicht mehr daran gewöhnen, eine Luft zu atmen, in der der Staub von Akten und der fade Geruch behördlicher Sturheit schwebt. Mein Gott, wie eng ist das hier alles! Warum ersticken Sie nicht? Sie sind fast ein Wunder, armer Freund …«
    Auf der Straße fühlte sich Semjonow wohler.
    An der Ecke wartete er auf eine Taxe, winkte sie heran und stieg ein. Durch das Rückfenster sah er auf das entschwindende Gebäude der deutschen Botschaft, und er wußte, daß er heute Deutschland wirklich verlassen hatte, endgültig und für immer.
    Es schmerzte ein wenig … aber dann beugte er sich vor und starrte auf das Gewimmel der Menschen auf den Straßen und in den Gassen.
    Ich habe Ludmilla und die Kinder, dachte er.
    Mehr braucht ein Mensch zum Leben nicht …
    In der sowjetischen Botschaft sorgte Karpuschin für helle Aufregung. Wie ein Sturmwind war er in die etwas langweiligen Räume eingebrochen und hatte den scharfen Atem Moskaus mitgebracht. Vom Botschafter bis zum Leiter der Militärmission, General Fjodor Timofejewitsch Jelankin, seufzte man hinter der vorgehaltenen Hand und verfluchte heimlich das Schicksal, daß es die Maschine, mit der Karpuschin aus Taschkent gekommen war, nicht hatte abstürzen lassen.
    »Semjonow lebt dick wie eine Made in einer Wohnung mitten in der Stadt!« brüllte Karpuschin und tippte mit seinem Zeigefinger auf den Stadtplan von Teheran. »Hier! Keine zwei Kilometer von uns entfernt. Und was tun wir, Genossen? Wir sitzen herum, saufen Wodka, kitzeln in der Nacht die Weiber und vergeuden Zeit und Kraft! Es wird Zeit, daß etwas geschieht! Sie wissen, ich habe alle Vollmachten von Marschall Malinowskij!«
    »Machen Sie einen Vorschlag, Matweij Nikiforowitsch.« General Jelankin öffnete seinen Uniformkragen. Nicht allein wegen der äußeren Hitze kam er ins Schwitzen. Bei Stalingrad hatte er gekämpft, als Kommandeur einer Brigade den linken Flügel der deutschen 6. Armee eingedrückt … aber das war ein ehrlicher Kampf und ein großer Sieg. Jetzt sollte getötet werden, hinterlistig und kalt getötet, und er mußte sich überwinden, nicht seine Uniform ganz auszuziehen, um an diesem Gespräch weiter teilzunehmen.
    »Ich habe ganz bestimmte Vorstellungen von der Aktion«, sagte Karpuschin und nahm wieder seinen Kneifer ab. Er putzte ihn mit dem Daumen, und General Jelankin wußte, obgleich er Karpuschin erst sechs Wochen kannte, daß eine Teufelei geboren wurde. »Sie, Genossen, bestehen darauf, daß die Liquidierung Semjonows ruhig, ohne Aufsehen, still, lautlos erfolgen muß. Ich habe dies mit einkalkuliert. Es widerstrebt mir allerdings, so zu handeln wie ein bourgeoiser Mörder.«
    General Jelankin sah an die Decke. Ehrlich ist er, wahrhaftig. Von einer Ehrlichkeit, die einen erschauern läßt. Hat er überhaupt Nerven?
    »Wir verfügen über einen ganzen Katalog unauffälliger Möglichkeiten«, fuhr Karpuschin fast dozierend fort. »Die Blausäurepistole … aber dazu wäre es notwendig, nahe an Semjonow heranzukommen. Vergessen wir sie also, obgleich sie das beste und sicherste Liquidierungsmittel ist, das wir besitzen. Bisher waren wir sehr zufrieden damit. Eine andere Methode ist die Inszenierung eines Unfalles. Das bedeutet große Vorbereitungen und enthält einen Unsicherheitsfaktor. Genossen, ich habe Semjonow sechs Wochen lang beobachten lassen. Ich habe tagelang in einem Zimmer gegenüber seinem Laden gesessen und selbst über alle Möglichkeiten nachgedacht. Zwei gibt es nur: Einmal – wir entführen Ludmilla Barakowa, das treibt uns Semjonow in die Arme wie eine Katze, die Baldrian riecht … oder zum anderen: Wir werden widerlich weibisch und vergiften ihn.«
    »Wollen Sie ihm die Pillen geben, Matweij Nikiforowitsch?« fragte General Jelankin spöttisch.
    »Jeden Morgen bekommt Semjonow eine kleine Kanne Milch aus dem Milchgeschäft«, sagte Karpuschin, ohne Jelankin, den dürren Idioten, anzuhören. »Über vier Wochen habe ich es selbst beobachtet. Der Milchmann kommt pünktlich gegen sechs Uhr morgens durch die Straße, stellt die Kanne in eine Nische neben der Tür und nimmt eine andere Kanne für den nächsten Tag mit. Um sieben Uhr holt Semjonow oder Ludmilla die Kanne ins Haus, um halb acht öffnet er den Laden. Genossen … halten Sie mich für so schwachsinnig, daß ich innerhalb einer Stunde nicht ein paar Tropfen Gift in die Milch schütten kann?«
    General Jelankin und die anderen schwiegen. Wie

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