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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einfach ist es doch, einen Menschen zu töten. Fast bietet er sich an mit seiner Milchkanne vor dem Haus. Und schnell wird es gehen. Ludmilla wird ein Süppchen kochen oder einen Krug Kakao oder einen Milchkascha, und sie werden mit morgendlicher Freude essen, sich an die Kehlen fassen, zu Boden fallen und nicht mehr atmen. So dreckig einfach ist das, Genossen.
    »Ist das klar, Brüder?« fragte Karpuschin fast fröhlich. Er sah die Wirkung seiner Worte. Man war beeindruckt.
    »Völlig klar, Matweij Nikiforowitsch.« General Jelankin trommelte mit den Fingern auf den Tisch. »Aber Semjonow ißt die Suppe oder trinkt die Milch nicht allein. Auch Ludmilla und das Kind werden davon trinken.«
    Karpuschin war ehrlich verwundert. Er sah sich im Kreis um und verstand nicht, warum sie alle schwiegen.
    »Genossen«, sagte er und nahm seinen Kneifer ab, »was soll's? Ludmilla Barakowa hat das Vaterland verraten! Eine Kommissarin, die konspiriert … ich bitte Sie, Genossen, das ist doch ein todeswürdiges Verbrechen!«
    »Und das Kind?« sagte General Jelankin leise.
    »Kinder sind die Feinde von morgen!« Karpuschin setzte mit einem Ruck seinen Kneifer wieder auf. »Wenn wir so denken, Genossen, wie Sie, werden wir nie zu einer Weltrevolution kommen!«
    General Jelankin erhob sich abrupt. Der Stuhl fiel um, und alle zuckten bei dem plötzlichen Lärm zusammen.
    »Sie haben entschieden, Matweij Nikiforowitsch!« sagte er heiser. »Sie haben die Vollmacht aus Moskau. Handeln Sie, wie Sie müssen! Aber bitte, entschuldigen Sie mich! Ich bin Chef der Militärmission, ich trage den Leninorden und die Tapferkeitsmedaille von Stalingrad. Von den Praktiken des KGB verstehe ich nichts, und ich möchte damit auch nicht in Zusammenhang gebracht werden!«
    Karpuschin wartete, bis Jelankin den Raum verlassen hatte. Dann lehnte er sich zurück und blickte die Zurückgebliebenen der Reihe nach an. Die meisten sahen auf ihre Hände oder starrten an die Wand.
    »Schlechte Nerven hat er, der gute Fjodor Timofejewitsch«, sagte er mit lauter Stimme. »Ein so kluges Köpfchen ist er und hat so wenig Kraft in den Knochen! Ich danke Ihnen, Genossen!«
    Die Russen gingen, wortlos, ein wenig bleich, voller Gedanken. Karpuschin blieb allein zurück, und er beugte sich, als der letzte gegangen war, über den Stadtplan und holte seinen Rotstift aus der Tasche.
    Mit ruhiger Hand malte er den Kreis zu und schmierte einen dicken roten Fleck. Unter ihm versank das umkreiste Haus, ertrank im Rot, das wie Blut schimmerte.
    Wir kennen Karpuschin … er liebte solche Symbole.
    Völlig verändert hatte sich Marfa Babkinskaja. Nicht allein äußerlich, das wäre nicht wichtig, denn Schminke und Lippenstift und Puder kann man abwaschen, und darunter ist dann der alte Mensch.
    Aber ein Weibchen, das sich innerlich verändert, das ein anderes Herz entdeckt hat, um andere Ecken denkt als bisher und fühlt, daß seine Seele angerissen ist und flattert, ein solches Weibchen sollte man behandeln wie eine Blüte, die keinen Nachtfrost mehr verträgt.
    Der Tod Jefimows an der Hauswand der fünf Steinbaracken von Kisyl-Polwan, dieser sinnlose Tod auf den Befehl Karpuschins hin, hatte Marfa verwandelt. Die Schüsse, die Jefimows Herz zerrissen, trafen auch Marfa, und sie schossen alle Liebe zu Karpuschin aus ihrer Seele, zerfetzten das letzte, dünne Mäntelchen von Sympathie, das sie über ihr Gewissen gedeckt hatte, um die Nähe Matweij Nikiforowitschs zu ertragen, diese schwitzende, röhrende Nähe der vielen Nächte, in denen sie die Augen schließen mußte und nur zum Fühlen sich zwang, wenn sie sein Gesicht sah, seine hervorquellenden Augen, seine offenen, feuchten Lippen und das Zucken seiner Nase. Das alles war gestorben an der Hauswand in Kisyl-Polwan, und nun war nur noch Haß da, blanker, verzweifelter Haß und der Wille, frei zu sein von einem Untier, das wie ein Mensch ging, wie ein Mensch aß, wie ein Mensch sprach und wie ein Vieh liebte.
    Bisher hatte Marfa wenig zu tun in Teheran. Einmal nur brauchte Karpuschin sie in ihrer amtlichen Eigenschaft: Sie stand mit ihm hinter der Gardine in einem schmierigen, übelriechenden Zimmer, sah auf das Schaufenster eines Teppichladens, sah einen Mann in die Tür und auf die Straße treten, einen Mann mit blonden Haaren und braunem, kantigem Gesicht. Ihr Herz machte einen Sprung und schlug bis an die Kehle, und Karpuschin fragte, völlig ruhig: »Wer ist es, Täubchen?« Und sie antwortete kaum hörbar: »Semjonow

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