Liebesparadies im Alpenschnee
Deshalb werde ich mich aus dem Familienunternehmen zurückziehen.“
Sie fuhr herum. „Nein!“, rief sie erschrocken.
Er schaute sie prüfend an. „Wie sonst sollte ich mit euch nach Breckenridge ziehen und einen Bergsteiger-Club gründen, damit ich meine eigene Familie ernähren kann? In Colorado müsstest du auch weniger Angst vor den Gerüchten haben als hier in Chamonix. Breckenridge ist viel ruhiger. Wir könnten uns dort ein Haus bauen. Philippe wird sich einleben, mit anderen Kindern anfreunden und sich damit abfinden, Albert nur in den Ferien zu sehen …“
„Ach, hör auf damit.“ Obwohl alles so plausibel klang, spürte sie, dass etwas grundlegend falsch daran war. „Du kannst deine Familie nicht verlassen. Das weißt du doch. Sie brauchen dich, sie verlassen sich auf dich.“
Er hob den Kopf. „Siehst du mich so, Crystal?“ Seine Stimme klang mit einem Mal schneidend.
„Was meinst du?“, fragte sie irritiert.
„Als reinen Familienmenschen, der alles aufrecht hält? Ist das alles, was du in mir siehst?“
„Nein. Raoul, aber …“
„Glaubst du, ich sehne mich nicht nach einem eigenen Leben? Ist dir nie in den Sinn gekommen, dass auch ich von einem richtigen Zuhause träume, von einer Frau und Kindern, die ich aufwachsen sehe?“
Sie biss sich auf die Lippe. „Das wollte ich damit nicht sagen. Ich meinte doch nur, dass dein Vater so krank war und ihr beide schon immer zusammengearbeitet habt.“
„Aber es geht ihm bereits wieder recht gut. Meine Mutter und ein gutes Team stehen ihm zur Seite. Sie haben Vivige und ihre Familie, auch gute Freunde. Es wird Zeit, einmal an mich zu denken, ohne das Schuldgefühl, meine Eltern im Stich zu lassen. Ich möchte mein Leben mit dir und Philippe verbringen. Etwas anderes kommt für mich nicht infrage.“
Dieses Bekenntnis erschütterte sie.
„Und du, Crystal, möchtest es auch, wenn du ehrlich bist.“
„Ja …“, haucht sie und senkte den Blick, „aber wir dürfen es nicht.“
Er hob ihr Kinn, damit sie ihn anschaute. „Warum?“
„Weil die Schuldgefühle uns zermürben würden.“
„Schuldgefühle?“ Er fasste sie bei den Schultern. „Die brauchen wir nicht zu haben. Wir haben nichts Unrechtes getan. Uns ist etwas widerfahren, dessen wir uns nicht schämen müssen. Kannst du dich an meinen Freund Yves erinnern?“
„Der seine Frau bei einem Autounfall verloren hat?“
„Genau. Sie hatten ein Baby. Später kümmerte sich die Schwester seiner verstorbenen Frau um das Kind. Nach einer gewissen Zeit haben sie und Yves geheiratet, noch zwei weitere Babys bekommen und sind eine glückliche Familie geworden.“
„Ich wusste nicht, dass sie seine Schwägerin war.“
„Eben. Es spielt keine Rolle. Zwei Menschen verlieben sich in aller Unschuld ineinander. Das passiert, und ich bin froh darüber, dass es mit uns geschehen ist. Was mich angeht, so ist Philippe ab jetzt unser Sohn.“
Sie schaute ihn fassungslos an. „Und es ist dir wirklich egal, was deine Familie sagt, wenn sie erfährt, was wir füreinander empfinden? Macht es dir nichts aus, ihnen solch einen Kummer zu bereiten?“ Sie schüttelte seine Hände ab.
Raoul fuhr sich durchs Haar und schaute sie finster an. „Ich kann mir nicht vorstellen, was dagegenspricht, dass wir uns lieben. Was sollte sie daran stören?“
Das sagte er jetzt leichtsinnig daher. Aber der Tag würde kommen, an dem er begriff, dass sie recht hatte. Sie durfte nicht nachgeben, sondern musste für sie beide stark bleiben. „Bitte bring mich jetzt zu deinen Eltern zurück.“
Er ballte die Hände zu Fäusten und schien mit seiner Geduld am Ende zu sein.
„Und wenn ich das ablehne?“
„Dann wärst du nicht der Mann, den ich schätze und liebe.“
Raoul erblasste. „Ist das dein letztes Wort?“, flüsterte er. „Ist das die Antwort auf meine Bitte?“
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Es muss so sein.“
„In der Liebe gibt es kein Muss.“ Er stecke die Hand nach ihr aus.
„Fass mich nicht an“, rief sie verzweifelt und taumelte ein paar Schritte zurück. „Mach mir nicht noch mehr Schuldgefühle. Ich ersticke daran, seit du mich neulich geküsst hast. Ich will dir deshalb keine Vorwürfe machen, denn ich habe es genossen. Das ist ja das Schlimme.“
Er antwortete nicht, sondern wartete, bis sie sich beruhigt hatte.
„Versteh doch, Raoul. Eric und ich haben heimlich geheiratet und unsere Eltern vor vollendete Tatsachen gestellt. Das war selbstsüchtig von uns. Und
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