Liebesparadies im Alpenschnee
nun sollen sie hinnehmen, dass ich den Bruder meines Mannes heirate?“ Entsetzen ergriff sie. „So rücksichtslos will ich nicht sein.“
„Du bist Witwe, Crystal …“
„Das spielt keine Rolle. Ich möchte nicht mehr selbstsüchtig handeln. Die Schuld kann ich nicht tragen. Besonders Philippe gegenüber hätte ich ein schlechtes Gewissen, denn er würde unter dem Gerede, unter Anspielungen leiden. Es geht nicht, Raoul. Es zerreißt mich. Ich kann nicht einmal auf demselben Kontinent mit dir leben.“
„Crystal …“
Sie verschloss sich gegen sein Flehen. „Diese Ferien werden wir irgendwie überstehen. Dann nehme ich Philippe mit nach Colorado, wohin wir gehören. Und wenn es sein muss, konsultiere ich einen Kinderpsychologen, damit er Philippe hilft, sein Heimweh nach Chamonix zu überwinden.“
Er trat einen Schritt zurück und schaute sie ungläubig an. „Das würdest du ihm antun?“
Sie nickte. „Er ist mein Sohn, Raoul. Nicht deiner. Ich werde tun, was ich für richtig halte.“
Die Kälte in seinem Blick erschreckte sie. Sie spürte, wie er sich von ihr zurückzog und sich Eiseskälte zwischen ihnen ausbreitete. Wahrscheinlich verabscheute er sie nun. Nicht dass sie es darauf angelegt hatte, aber sie wollte es in Kauf nehmen. Aus Liebe zu ihm. Um ihn und sich vor einem schlimmen und folgenreichen Fehler zu bewahren.
„Ich auch, Crystal. Ich auch.“
Was er meinte, wusste sie nicht. Doch seine Worte klangen wie eine Warnung. Sie jagten ihr Furcht ein und beschäftigten sie die ganze Nacht hindurch.
Es war bereits nach vier Uhr in der Frühe, und Raoul konnte noch immer nicht einschlafen. Wieder fiel sein Blick auf den Hut, den er auf der Kommode abgelegt hatte. Als Philippe den gleichen bekam, hatte er das als Zeichen von Crystal gewertet und sich ermutigen lassen. Doch sie hatte ihn nicht nur zurückgewiesen, sondern auch tief enttäuscht.
Was sie mit Philippe vorhatte, entsetzte ihn. Allerdings musste er zugeben, dass er kein Recht zum Eingreifen besaß. Da sie entschlossen war, zurück nach Colorado zu gehen und ihn zu vergessen, durfte er dem Jungen den Abschied nicht noch schwerer machen, indem er die nächsten Tage viel Zeit mit ihm verbrachte.
Und sich selbst durfte er den Abschied nicht schwerer machen, indem er sie täglich sah. Es gab also nur eine Lösung.
Er duschte, zog sich bequeme Kleidung an und packte den Koffer. Dann setzte er den neuen Hut auf und fuhr ins Geschäft. Dort erledigte er die nötigen Büroarbeiten, telefonierte und machte sich dann gegen neun Uhr auf den Weg zu seinen Eltern, wo der Weihnachtstag mit einem gemeinsamen Frühstück begann.
Es war ein böser Witz. Ausgerechnet in der vergangenen, so hoffnungsvoll begonnenen Nacht war sein Leben zu Ende gegangen. Crystal hatte sich gegen ihn verschlossen und ihm jede Zuversicht genommen. Statt Liebe und Glück warteten auf ihn Trostlosigkeit und freudlose Pflicht. Die noch vor ihm liegende Zeit mochte er nicht mehr Zukunft nennen. Er fühlte sich ausgebrannt und schlagartig gealtert.
Er entschuldigte sich bei seiner Mutter, sie mögen ohne ihn anfangen, und verteilte, während die anderen frühstückten, die mitgebrachten Geschenke unter dem Tannenbaum. Dann setzte er sich in einen Sessel und betrachtete die Schuhe, die die Kinder vor dem Zubettgehen vor den Kamin gestellt hatten. Jetzt waren sie bis zum Rand mit Süßigkeiten gefühlt.
„Onkel Raoul.“ Philippe kam in den Salon gerannt, auf dem Kopf den Hut. Er zeigte auf Raouls. „Wir sind wieder Zwillinge.“
„Das kann man wohl sagen.“
Bald kamen die anderen Kinder dazu, und kurz darauf war die ganze Familie im Weihnachtszimmer versammelt. Crystal setzte sich abseits auf einen Stuhl und würdigte ihn keines Blickes. Wunderschön sah sie aus. Trotz ihrer Unnahbarkeit. Er hätte sie ewig anschauen mögen, erlaubte es sich aber nicht.
In der nächsten Stunde packten alle ihre Geschenke aus. Der Raum war erfüllt von Lachen und dem Jubel der Kinder. Schließlich hockten auch Bernard und Raoul auf dem Boden, setzten Spielzeug zusammen und bauten eine Rennstrecke auf. Am Nachmittag entschuldigte Crystal sich und Philippe. Sie wollte ihre Eltern anrufen und ihnen frohe Weihnachten wünschen.
Raoul nahm das zum Anlass, mit seinem Vater zu sprechen.
„Ich war heute Morgen schon im Geschäft und habe vorgearbeitet und dann einen Flug gebucht.“
Jules sah ihn überrascht an. „Wohin fährst du?“
„Nach Saragossa.“
„Willst du dich dort mit
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