Liebesperlenspiel
für Paul Westen empfunden habe und ganz tief vergraben glaubte, sprudeln wie eine Fontäne an die Oberfläche. Zumindest fallen lange Erklärungen an Emely und Jonah weg, wenn sie erst gar nicht mitbekommen, dass ich in den USA war und damit geliebäugelt habe, für immer mit ihnen hierherzuziehen. Es war genau die richtige Entscheidung, den Kindern nichts zu sagen.
Wir sitzen ganz entspannt auf seiner Dachterrasse und trinken ein Glas Wein. Es ist schon später Abend. Während Paul noch kurz im Büro vorbeigeschaut hat und einige Runden Joggen war, habe ich für das Abendessen gesorgt. Es kam mir alles so richtig vor, mit dem Essen auf Paul zu warten, und doch war es so falsch.
»Michael hat uns am Samstag zu einer Grillparty zu sich eingeladen.«
»Uns?«, frage ich überrascht. Es klingt so vertraut.
»Ja, er hat mir ausdrücklich aufgetragen, dich mitzubringen, koste es, was es wolle.« Paul grinst und seine makellosen Zähne blitzen in der Dämmerung weiß auf. Gab es etwas, was an diesem Mann nicht perfekt war? Nein, nichts, das hatte ich bereits vor zehn Jahren festgestellt.
»Du kommst doch mit?« Seine Stimme klingt ein wenig unsicher.
»Ja, sicher, wenn du mich so nett bittest.« Samstag würde ich schon wieder in Deutschland sein.
»Möchtest du dich zu mir setzen?«
Seine Frage k ommt so unvermittelt, dass ich nur nicken kann. Ich erhebe mich und setze mich zu ihm auf das große Sofa. Er dreht mich so, dass ich bequem mit dem Rücken an seiner breiten Brust zu liegen komme.
»Wo wohnt Michael, dass er uns zum Grillen einladen kann?«, frage ich neugierig.
»Er hat ein schönes Haus auf Long Island. Die Woche über wohnt er in einem Appartement hier in New York, aber ab Freitag fährt er immer hinaus. Es ist dort wirklich traumhaft. Er will das Haus aber verkaufen, sobald er sich zur Ruhe gesetzt hat, vielleicht werde ich es kaufen, es gefällt mir. Mich würde dein Urteil interessieren.«
Sofort versuche ich wieder den Gedanken an das nahende Wochenende zu verdrängen. »Warum ist dir meine Meinung wichtig?«
Sein Atem setzt einen kurzen Moment aus, ich spüre es in meinem Rücken und ich schaue ihn fragend an.
»Das weißt du, Hanna.«
Nein, ich weiß es nicht, ich bin mir jedoch sicher, dass ich es auch nicht wissen will. Warum habe ich nur gefragt?
Paul schiebt mich ein wenig von sich und steht auf. Zielstrebig verlässt er die Terrasse und kehrt nach einigen Minuten zurück. In der Hand hält er eine Mappe, die er mir reicht. »Weil ich das hier habe.«
Ich öffne den Deckel und blättere kurz die Seiten durch. Der Inhalt ist mir gut bekannt. Es sind die Kopien meiner Personalakte aus Deutschland. Mit meinen Bewerbungsschreiben, Zeugnissen, Arbeitsvertrag, Beurteilungen und meinem Bild. Fragend sehe ich zu ihm auf.
Paul st eht vor mir und atmet hörbar aus. »Ich genehmige alle Personalfragen für Hamburg. Als ich deine Unterlagen per Mail erhielt, habe ich dich sofort erkannt. Eigentlich sollte Michael allein mit Kinsley nach Deutschland fliegen, doch da ich wusste, dass ich dich dort treffen würde, konnte ich nicht anders, als mitzufliegen. Hanna, ich wollte dich unbedingt wiedersehen. Es war für mich wie ein Wink des Schicksals.« Er wartet ab, was ich dazu sagen würde.
»Du hast also die ganze Zeit gewusst, wer ich bin?«
Er beißt sich verlegen auf die Lippen und nickt.
»Du hast nur so getan, als würdest du mich nicht erkennen? Das ist ... Paul, das ist wirklich unglaublich.« Mittlerweile stehe ich ihm gegenüber und falle wirklich aus allen Wolken. Was für ein mieser Trick.
»Was hätte ich den n tun sollen? Nach all diesen Jahren? Einfach zum Telefon greifen und sagen: Hallo, Hanna, erinnerst du dich noch, ich bin der Typ, der dich total mies behandelt hat, aber bitte entschuldige, ich liebe dich immer noch und komme gleich mal vorbei?«
»Ja«, fauche ich, »das wäre eine gute Alternative gewesen.« Erst jetzt wird mir klar, was er da eigentlich gesagt hat. »Ich meine, dass mit der Liebe hättest du nicht unbedingt sagen müssen.«
»Aber wenn es stimmt?«, kommt leise aus seinem Mund und für mich legt sich in diesem Moment ein seidenes Tuch über die Welt. Alle Geräusche werden ausgeschlossen. Ich höre weder das Hupen der Autos auf der Straße ganz weit unter mir, noch das Surren der Klimaanlage oder die leise Musik, die uns die ganze Zeit im Hintergrund berieselt. Ich höre nur Pauls stockenden Atem, während er mich gebannt anschaut und auf eine Reaktion
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