Liebesschmarrn und Erdbeerblues: Roman (German Edition)
rechten Wange.
»Si, por favor, Ernesto«, kramte ich stolz meine mageren Spanischkenntnisse aus dem zweiwöchigen Urlaub auf Fuerteventura im letzten Jahr hervor. Er strahlte mich an. Claudia bemerkte uns beide und zwinkerte mir aufmunternd zu. Sie selbst unterhielt sich mit einem Bekannten und machte einen etwas gelangweilten Eindruck. Ich wusste, dass der androgyne Frauenversteher mächtig auf sie stand, er aber absolut nicht Claudias Typ war.
Ernesto und ich kämpften uns zur Theke vor, und er bestellte für uns Wein.
Es schien ihm überhaupt nichts auszumachen, dass ich nur sehr wenig redete. Dafür sprudelte es nur so aus ihm heraus, und schon nach zehn Minuten kannte ich seine halbe Lebensgeschichte. Er war, wie er ausdrücklich betonte, weniger Spanier als Katalane und mütterlicherseits halber Österreicher, was seine guten deutschen Sprachkenntnisse erklärte. Tatsächlich war er genauso alt wie ich, Single und Unternehmer aus Barcelona. Er liebte Katzen, konnte aber wegen seiner häufigen Reisen kein eigenes Tier haben und war ein begeisterter Motorradfahrer.
Seit einem halben Jahr war er regelmäßig immer wieder in Passau, um gemeinsam mit seinen deutschen Geschäftspartnern eine neue Fertigungsanlage für besonders geformte Glasbehälter für Obst- und Gemüsekonserven zu entwickeln.
»Morgen muss ich leider für eine Woche nach Barcelona, aber ich würde mich sehr freuen, nach meiner Rückkehr mit dir essen zu gehen. Was magst du denn gerne? Italienisch? Indisch? Mexikanisch oder lieber Chinesisch?«
»Mexikanisch!«, entschied ich mich. Aber er hatte eine so erfrischende Art, dass ich überall mit ihm hingegangen wäre.
Plötzlich taute ich auf wie ein Eisberg in der Südsee, und aus meinem Mund kamen deutlich mehr als zwei Wörter am Stück heraus. Ich erzählte von Fritzi, meinen Reisen nach Spanien, und wir plauderten über Gemüseanbau. Was ihn sehr interessierte. Er amüsierte mich mit seiner blumigen Sprache auf eine ganz besondere Weise und brachte mich immer wieder zum Lachen.
»Du bist bezaubernd, wenn du lachst, Lene«, schmeichelte er mir mit glutvollen Augen.
»Du auch, Ernesto«, gab ich das Kompliment postwendend zurück. Der Wein war mir schon deutlich zu Kopf gestiegen, und nach den schwierigen Tagen mit Michi und Karl Huber tat es mir gut, unbefangen mit einem Mann zu flirten.
Er beugte sich nah zu mir und flüsterte mir ins Ohr: »Ich kann dir zwar keine Liebeserklärung auf Bairisch machen, aber ich werde dir die richtigen Worte in meiner Sprache sagen, sollte es sich dazu entwickeln.«
Seine Aussprache erinnerte mich an die des wunderbaren gestiefelten Katers bei den Shrek-Filmen. Und damit an Antonio Banderas. Und damit wiederum an Zorro. Und Zorro hatte mich schon als Kind fasziniert.
Bei seinen heiser geflüsterten Worten zog eine Gänsehaut über meinen Rücken. Ich musste hier schleunigst einen Gang zurückschalten. Doch das übernahm ein anderer für mich.
»Du hast dir ja schnell einen Tröster gesucht!« Ich schreckte hoch. Michi stand neben mir, ausnahmsweise mal ohne sein neues Anhängsel Sabine, und sah mich böse an. Was machte er denn hier?
»Sehen Sie nicht, dass wir uns unterhalten?«, fragte Ernesto ein wenig genervt über die unfreundliche Störung. Ich legte meine Hand auf seinen Arm.
»Ist schon gut, Ernesto. Er will nur Guten Tag sagen und dann wieder gehen.«
»So? Will ich das?«, fragte Michi.
»Ja, das willst du«, sagte ich bestimmt. »Sabine wird schon auf dich warten.«
Michi schaute mich eindringlich an. Unter seinen Blicken fühlte ich mich schuldig, obwohl ich doch nichts gemacht hatte, außer ein wenig mit Ernesto geflirtet. Außerdem war ich ein frischgebackener Single! Und durfte tun und lassen, was ich wollte.
»Können wir reden, Lene?« Der zornige Ausdruck in seinem Blick war plötzlich verschwunden. Er wirkte fast ein wenig erschöpft.
Was sollte das denn jetzt? Weil Sabine mal ein paar Sekunden nicht an seiner Seite klebte, wollte er wieder mit mir reden?
»Nein! Können wir nicht«, sagte ich bestimmt. Doch eigentlich hätte ich gewollt. Sehr sogar. Verdammt. Ich fühlte mich gerade gar nicht gut. Ernesto schien mir das anzusehen.
»Möchtest du, dass wir woanders hingehen, Lene?«, fragte er. Mit einem Schlag war ich ernüchtert und fühlte mich müde und ausgelaugt.
»Nein. Das möchte ich nicht, Ernesto. Ich werde nach Hause gehen. Alleine!«, stellte ich für alle beiden Männer unmissverständlich klar.
Keine
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