Liebesschmarrn und Erdbeerblues: Roman (German Edition)
Liebesmagen zu verderben. Vielleicht wäre es besser, noch ein wenig bei einer moderaten Gefühlsschonkost zu bleiben.
Kaum dachte ich über Hunger und Essen nach, kamen mir die glutvollen Augen von Ernesto und seine Einladung zum Mexikaner in den Sinn. Ich wusste, dass er seit ein paar Tagen aus Barcelona zurück war, aber ich hatte ihn bis jetzt noch nicht angerufen. »Vielleicht morgen«, überlegte ich laut.
Auf der Ablage neben dem Make-up stand der kleine Eskimo, der inzwischen fast so etwas wie ein Talisman geworden war, und es schien, als ob er mich wieder mal genau beobachten würde. Ich schlüpfte in ein anthrazitfarbenes Kleid, das ich mir extra für diesen Abend gekauft hatte. Noch nie hatte ich für so wenig Kleid so viel Geld ausgegeben. Doch es war für einen besonderen Anlass. Denn heute war ein besonderer Abend. Die letzten Stunden vor meinem dreißigsten Geburtstag, und ich war auf die legendäre Maienparty von Severin und Alwin Bayerl eingeladen.
Es war das erste Mal, dass ich auf der Einladungsliste für eines der exklusivsten Events in Passau stand. Scheinbar hatte mir meine plötzliche Popularität den gewünschten Promistatus verschafft.
Alwin hatte mich persönlich angerufen und mir zusätzlich ein Einladungsschreiben durch einen sogenannten »Maienboten« überbringen lassen. Diesen Job übernahm jedes Jahr einer von Severins Kunstschülern, die er als Privatdozent unterrichtete. Die kunstvoll gestalteten Karten waren mindestens genauso begehrt wie die Einladung selbst. Severin Bayerl kreierte für jedes Maifest nur eine begrenzte Anzahl für besondere Gäste. Alle anderen erhielten einfache gedruckte Einladungen. In diesem Jahr waren es zwölf handgefertigte Karten, die alle einem der Tierkreiszeichen gewidmet waren. Mein Sternzeichen war eine sehr eigenwillige und nicht ganz jugendfreie Interpretation des Minotaurus.
Noch vor ein paar Wochen hätte ich mir nicht träumen lassen, auf ein Maienfest der Bayerls eingeladen zu sein. Jetzt war ich sogar einer der Ehrengäste. Es war unglaublich!
»Gefalle ich dir, Eisi?« Inzwischen hatte ich dem kleinen Eskimo sogar schon einen Namen gegeben. Auch wenn ich keine Antwort erwartete, so schien in seinem Blick eine Spur von Bewunderung zu sein. Er würde mir fehlen, wenn er einmal nicht mehr da war. Immer wieder schob ich es deshalb hinaus, ihn Claudia zurückzugeben. Ich war schon am Gehen, da drehte ich mich noch mal um.
»Du darfst auch mit auf die Party!« So eine Gelegenheit würde er ohne mich nie wieder bekommen.
Kapitel 8
Dutzende Fackeln beleuchteten den Weg zum Zentrum des Maienfestes im riesigen Garten der Jugendstilvilla der Bayerls. Der Duft von Blüten und dem jungen Grün der ausschlagenden Bäume war so berauschend, wie er nur in einer sternenklaren Mainacht sein konnte.
Alwin und Severin, beide überraschend schlicht gekleidet in klassischen schwarzen Smokings, standen am Ende des Weges und begrüßten mich wie eine Königin. Severin, der mich bis vor Kurzem gewiss nie wahrgenommen hatte, machte mir Komplimente, dir mir die Röte ins Gesicht trieben.
»Lene! Du bist ja auch da!« Ich drehte mich um. Lissy stand hinter mir und war sichtlich erfreut, mich zu sehen.
Sie konnte heute nur als Gast hier sein, denn Presse war auf dem Maienfest strengstens verboten. Genauso wie Fotografieren, geschweige denn Filmen. Severin Bayerl bestand darauf, und erstaunlicherweise hielten sich die Gäste daran. Es gab keine Bilder vom Maienfest, und so heizten die Erzählungen darüber die Fantasien der Leute an, die bisher noch nicht das Vergnügen hatten, dabei gewesen zu sein. Das verschaffte dem Maienfest der Bayerls im Laufe der Jahre einen geheimnisvollen Mythos.
»Hallo Lissy«, begrüßte ich die alleinerziehende Mutter mit einem Küsschen auf die Wange. »Wo hast du denn Pauli?«, fragte ich. Pauli war ihr achtjähriger Sohn, und ich wusste, wie schwierig es immer für sie war, einen Babysitter zu organisieren. Auch ich war ab und zu schon mal eingesprungen.
»Bei einer Freundin. Ach Lene, ist es nicht aufregend hier? Ich kann es immer noch nicht fassen, dass ich eingeladen bin.« Es ging ihr wie mir.
Trotz einiger Pfunde zu viel um ihre Hüften stand ihr das dunkelblaue Abendkleid ausgezeichnet, und sie strahlte glücklich. Eine auf den zweiten Blick schöne Frau, die seit Jahren vergeblich auf der Suche nach einem Partner war.
Lissy brachte mich gleich auf den neuesten Stand der Mitgliederzahlen unseres Vereines. Seit gestern
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