Liebesschmarrn und Erdbeerblues: Roman (German Edition)
fünf Minuten später saß ich in einem Taxi nach Hause. In meiner Hand hielt ich die Visitenkarte, die Ernesto mir gegeben hatte mit der eindringlichen Bitte, mich nach seiner Rückkehr zu melden.
Kapitel 6
Ich saß auf einem großen Stein an meinem Lieblingsplatz an der Ortsspitze, die als Halbinsel in die Donau ragte. Von beiden Seiten flossen der grüne Inn und die dunkle Ilz dazu und verbreiteten die Donau auf ihrem Weg nach Wien und weiter bis zum Schwarzen Meer. Ein herrlicher Flecken Erde, vor allem wenn wie heute die Frühlingssonne von einem wolkenlosen Himmel schien. Doch nicht nur deswegen trug ich eine große Sonnenbrille. Ich hoffte, dass mich damit niemand erkannte, denn ich brauchte ein wenig Zeit, um nachzudenken.
Das abgebrochene Radiointerview mit Karl Huber war natürlich nicht ohne Folgen geblieben. Nicht nur unsere Zeitung berichtete darüber, sondern auch die Konkurrenzblätter hatten das Thema jetzt aufgegriffen und Karl Huber die Gelegenheit gegeben, sich zur Sache zu äußern. Der ließ sich weiterhin darüber aus, wie falsch ich mit meiner These lag und wie sehr ich den Bayern damit schaden würde.
An den vielen Leserbriefen und Facebook-Einträgen erkannte ich, dass der Sprachwissenschaftler eine große Fangemeinde hatte. Die Kommentare zu meiner Theorie waren inzwischen sehr emotional und in beide Richtungen teilweise verletzend. Es hatten sich zwei Fronten aufgetan. Für die Medien natürlich ein gefundenes Fressen.
Heute Morgen war in der Redaktion einiges los gewesen, und ich musste gleich zu Matthias ins Büro. Ich hatte damit gerechnet, dass er nicht erfreut über mein verpatztes Gespräch mit Huber war. Doch das Gegenteil war der Fall gewesen. Er gratulierte mir zu meinem Erfolg und war begeistert, wie sehr ich die Menschen durch meine Ansicht über die Liebe auf Bairisch polarisierte.
Er wollte den Rummel um mich natürlich ausnutzen und ließ mir von seiner Sekretärin eine Liste mit Terminen geben. Ich war sprachlos. Nicht nur verschiedene Interviews und Fototermine standen auf dem Programm, es gab auch eine Einladung zu einem über die bayerischen Grenzen hinaus bekannten Radiosender. Dazu Besprechungen mit Matthias und Claudia. Dass ich mal für ein Gespräch mit Claudia einen Termin bräuchte, hätte ich im Leben nicht gedacht.
Schließlich stand ich auf. Meine Mittagspause war fast vorüber. Ich warf noch einen letzten Blick übers Wasser und rüstete mich innerlich. In einer halben Stunde sollte ich ein Telefoninterview geben und danach mit Claudia und einem Fotografen zu mir nach Hause fahren für eine Homestory. Auch wenn ich es immer noch nicht glauben konnte, wie sehr sich mein Leben innerhalb weniger Tage auf den Kopf gestellt hatte, so begann ich neugierig zu werden, wie es weitergehen würde. Ich war froh, dass mich der ganze Rummel von Michi ablenkte. An den schwer deutbaren Blick, den er mir zum Abschied im Simone zugeworfen hatte, wollte ich nicht denken.
Kapitel 7
Die nächsten Tage war ich völlig ausgelastet mit meiner Arbeit und den zusätzlichen Terminen in Sachen »Liebe auf Bairisch«. Kaum dass ich noch Zeit hatte, meinem Vater auf dem Hof zu helfen. Das Interesse an mir hatte nicht nachgelassen. Ganz im Gegenteil. Ich wurde auf Veranstaltungen eingeladen, sollte Interviews geben und wurde sogar zur Vorsitzenden des »1. Vereins zur Findung der bairischen Liebesworte« gewählt, der im Eilverfahren von meinen Anhängern gegründet wurde.
Auch Lissy Bormann, unsere freie Mitarbeiterin, war eine glühende Anhängerin meiner Theorie und übernahm im Verein die Rolle der Schriftführerin.
Auf meiner neuen Facebook-Seite gab es bereits über viertausend Fans! Ich hatte einiges zu tun, um täglich meine E-Mails zu beantworten.
Und das Allerbeste: Ich stand tatsächlich vor dem Vertragsabschluss für mein erstes Buch, das den Titel Auf der Suche nach der weiß-blauen Liebe – Ein Ratgeber tragen sollte.
Matthias nannte mich amüsiert »ein bayerisches Phänomen« und war sehr erfreut über die Popularität, die ich inzwischen gewonnen hatte und mit der niemand gerechnet hätte. Am wenigsten ich selbst.
Ich war auch über mich selbst erstaunt, wie sehr mir das alles Spaß machte. Dabei war ich nie ein Mensch gewesen, der gerne im Mittelpunkt stand. Zumindest nicht freiwillig, wenn ich so an meine Schul- und Jugendzeit dachte.
Als einziges Kind an der Grundschule, das keine Mutter hatte, wurde ich von vielen Mitschülern und Lehrern voll Mitleid
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