Liebhaber der Finsternis
schlecht sie ihn doch kannte. Und wie völlig falsch er sie eingeschätzt hatte. Sie war bereit, ihren Gespielen ohne mit der Wimper zu zucken zu opfern. Wusste sie überhaupt, was Liebe war? Wenn sie jemals zu einer solchen Empfindung fähig gewesen war, musste dieses Gefühl vor langer Zeit gestorben sein. Er war jetzt sicher, er war von ihr nur zum Zeitvertreib benutzt worden. Wenn er könnte, würde er sie hassen. Seine Seele litt unendliche Höllenqualen. Wie hatte er überhaupt die Kraft aufgebracht, sie aus seinem Bett zu verweisen, wo alles in ihm nach ihr lechzte? Dafür verachtete er sich mehr, als er es jemals zuvor für etwas anderes getan hatte.
Das Knallen hallte im gesamten Anwesen wider. Aber mehr als das taten es Leahs Klageschreie. Innerhalb von Sekunden versammelten sich mehrere Vampire, um zu ergründen, was geschehen war. Amy versuchte, Leah zu beruhigen, doch erst als Jeqon sie auf die Arme nahm und in ihr Zimmer trug, ließ das Schluchzen nach. Was immer da drin vorgefallen war, Jeqon würde es sich nicht länger anhören. Er wartete ab, und als Leah sich in den Schlaf geweint hatte, verließ er das Zimmer. Corben war eindeutig zu weit gegangen. Es war an der Zeit, ihm einen Besuch abzustatten.
Er trat ein und hielt sich nicht mit Höflichkeitsfloskeln auf. Sein Anführer sah ihm mit trübem Blick entgegen.
„Verschwinde, Jeqon! Ich bin müde und habe keine Lust auf Konversation“, krächzte er und schloss demonstrativ die Augen.
Jeqon ließ sich nicht abwimmeln. „So geht das nicht weiter. Du bist viel mehr für mich als mein Clanführer, du bist mein Freund. Und als ein solcher kann ich nicht länger schweigen.“ Er holte Luft und sprach weiter. „Du machst einen großen Fehler. Ich dachte, wenn du sie wiedersiehst, wird alles von allein ins Lot kommen. Aber ich habe nicht daran gedacht, was für ein sturer Maulesel du sein kannst. Verdammt, mach endlich die Augen auf und sieh mich an.“
Langsam hoben sich Corbens Lider. Jeqon stellte fest, dass er viel zu lange sein Geheimnis gehütet hatte. Er wollte sich in den Streit der Brüder nicht einmischen. Aber jetzt musste er sich eingestehen, dass er schon längst hätte eingreifen müssen. Er bedauerte seinen Fehler zutiefst.
„Corben“, sagte er mitfühlend und half ihm, sich aufzurichten. „Sie liebt dich wirklich. Hast du noch genügend Kraft, in meinem Geist zu lesen? Es ist wichtig, dass ich es dir zeigen kann. Du musst es mit eigenen Augen sehen. Anschließend kannst du entscheiden, ob du so weitermachen willst oder ob es einen anderen Weg für dich gibt. Ich habe mein Schweigen für dich gebrochen. Lass es nicht umsonst gewesen sein. Allein das sollte dir zeigen, wie wichtig du mir bist.“
Er sah ihn mit festem Blick an und wartete auf eine Reaktion. Als er ein leichtes Nicken vernahm, öffnete er seinen Geist für seinen Anführer. Er ließ die Szene der ersten Nacht vor seinem inneren Auge ablaufen, zeigte ihm, wie er Cian ertappt hatte, Leah bei ihrer Wahl zu beeinflussen. Als er fertig war, verschleierte er seine Gedanken wieder.
„Hast du gesehen, was ich gesehen habe?“, fragte er den verunsichert dreinblickenden Freund. „Sie hat nicht frei gewählt. Cian hat ihr die Entscheidung abgenommen. Jetzt liegt es bei dir“, schloss er und ließ Corbens Kopf in die Kissen gleiten. Er wollte schon gehen, als er beschloss, ihn noch über ein weiteres Detail aufzuklären. „Maik ist wie ein kleiner Bruder für Leah. Kannst du dir nur im Entferntesten vorstellen, was es sie gekostet haben muss, ihn dir als Opfer darzubieten?“
„Woher weißt du davon?“, fragte Corben und richtete sich langsam auf.
„Warum sollte Maik wohl sonst in gebanntem Zustand vor deiner Tür stehen? Langsam glaube ich wirklich, ich kenne sie besser als du. Wach endlich auf und befrage dein Herz“, entgegnete Jeqon, im Begriff, das Zimmer zu verlassen.
„Warte!“
Jeqon wandte sich um.
„Würdest du bitte eine extragroße Portion Blut auf mein Zimmer bringen lassen? Ich brauche Kraft, um meinem Bruder die Leviten zu lesen.“
„Bin schon auf dem Weg“, antwortete Jeqon erleichtert schmunzelnd. Als er die Tür hinter sich schloss, war er das erste Mal seit Langem zufrieden mit sich. Seine Liebe hatte er nicht retten können, aber vielleicht konnte er eine andere vor dem Untergang bewahren. Mehr konnte er nicht für die beiden tun, den Rest musste Corben erledigen.
Was war er doch für ein alter Esel. Wie konnte er sich nur so
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