Liebling, Ich Kann Auch Anders
Aufmunterung bedarf.«
»Hat er denn niemanden gefunden?«, wollte ich wissen.
»Doch, doch, einige sogar, aber einer ist schlimmer als der andere.« Eva rekapitulierte den Bericht ihres Freundes, soweit sie ihn noch zusammenbrachte.
»Der erste Typ war ganz reizend, blitzte ihn mit seinen blauen Augen an, signalisierte ihm Sympathie, erzählte, er strebe eine lang anhaltende Beziehung an und ging mit ihm ins Bett. Danach war nichts mehr von ihm zu sehen, hören oder lesen. Der zweite lud ihn in ein exklusives Restaurant ein und verschwand nach dem Dessert auf Nimmerwiedersehen. Der dritte versuchte ihn mit seinem Partner zu verkuppeln, von dem er die Schnauze voll hatte. Eine Einschätzung, die Leonardo nach einer halben Stunde zu teilen vermochte. Der vierte war auch nicht sein Typ, rächte sich dafür jedoch, indem er Leonardos Lieblingspullover klaute. Der nächste war genau sein Typ und behauptete umgekehrt dasselbe. Sie verbrachten eine höchst sinnliche Nacht, doch am nächsten Tag fand der überraschte Leonardo in seiner Mailbox die Nachricht, er liege erotisch wirklich nicht auf der Linie seines vermeintlich neuen Freundes. Der sechste war allem Anschein nach nur darauf aus, ihn anzupumpen, und mit dem letzten genoss er immerhin zwei glückselige Wochen, bis der ihm verkündete, das Ganze werde ihm zu eng, und im Übrigen habe er keine Lust, auf all die anderen Jungs zu verzichten, die sich im Netz tummelten.«
»War’s das?«
»Na, ich habe vielleicht die Reihenfolge vertauscht und ein paar Details vergessen. Aber stell dir vor, alle diese Begegnungen fanden in weniger als sechs Wochen statt!«
»Hoppla! Kein Wunder, hat er sich in letzter Zeit so rargemacht«, sagte ich, denn Eva hatte sich mehrmals erstaunt darüber ausgelassen, dass Leonardo, der sonst mehrmals die Woche anrief, so lange nichts von sich hören ließ.
»… was er jetzt intensiv bereut. Und um die Dinge wieder ins Lot zu bringen, braucht er mich nun umso dringender. Anscheinend hat er auch eine ganz tolle Idee, die er mit mir diskutieren muss.«
»Na prima«, kommentierte ich spöttisch und war mir darüber klar, dass es nicht sehr begeistert klang.
Ich geb’s zu, ich war ein wenig eifersüchtig auf Leonardo. Er brauchte nur anzurufen, und schon kam ihm Eva zu Hilfe. Ich will bloß wissen, wozu der Typ Psychologie studiert hat! Okay, die beiden kennen sich schon eine Ewigkeit und sie waren während der letzten Jahre nahezu gleichzeitig durch Beziehungsvorhöllen geschlingert. So was verbindet schon intensiv. Im Übrigen hatte ich – objektiv betrachtet (womit ich, wie gesagt, meine Probleme habe) – keinen Grund, mich zu beklagen. Schließlich konnte ich damals Eva fast jeden Tag sehen. Sie wohnte zwei Stockwerke unter mir und ich hatte einen Schlüssel für ihre Wohnung sowie das Recht, ihren Balkon und ihre Badewanne zu benutzen und mir ihre Kleider auszuleihen, wenn ich mal auf elegant machen wollte, was allerdings sehr selten vorkam.
Dennoch merkte ich, wie Unbehagen in mir hochkroch, da ich keine Lust hatte, das Wochenende ohne Eva zu verbringen. Unsere faulen Sonntage waren nämlich meine große Passion. Da kochte Eva meistens. Dann lümmelten wir auf ihrem Sofa oder in meinen Sesseln rum, tratschten, verpassten uns gegenseitig Gesichtsmasken und Haarpackungen oder ich las ihr meine neuesten Übersetzungen vor und nahm dankbar ihre Komplimente oder Verbesserungsvorschläge entgegen.
Dergleichen ließ ich mir nun mal nicht gern verhunzen – schon gar nicht von einem neurotischen Psychologen! Überhaupt war ich immer der Meinung, Eva sei viel zu gutmütig und ließe sich von allen ausnutzen. Sie sollte auch mal an sich denken! Ein Wochenende mit mir trug sicher mehr zu ihrer Entspannung bei, als wenn sie Tage und Nächte lang Berichte über Leonardos Liebes-Chaos anhören musste. Dann doch schon lieber über meins. Das war wenigstens überschaubar!
Am Freitag gegen zwölf Uhr fuhr sie in ihrem alten Cabrio in Richtung Konstanz. Und dieser Moment war in meinen Augen der Beginn der verhängnisvollen Affäre.
2
Am Sonntagabend kehrte Eva zurück. Ich lud sie bei mir zum Abendessen ein. Und während ich einen famosen Eintopf nach ihrem bewährten Rezept zubereitete, aus Fisch, Gemüse, ein paar Fäden Safran und sehr viel Weißwein, übernahm sie die Rolle der Mundschenkin. Wir tranken Prosecco und Eva, die ohnehin schon recht aufgekratzt war, berichtete von ihrem Therapieausflug.
»Eine irre Geschichte«,
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