Liebling, vergiss die Socken nicht
dass sie schon wieder ihre Jeans zum Trocknen aufs Treppengeländer gehängt hatte.
»Jane!« rief sie der schlafenden Gestalt zu, die völlig von der Daunendecke verborgen wurde. »Es ist acht Uhr. Und wie oft hab‘ ich dir schon gesagt, dass du deine Jeans nicht auf das Treppengeländer hängen sollst?«
Aus dem Bettzeug kam ein schlaftrunkener Kopf hervor. »Wo soll ich sie denn sonst trocknen«, fragte Janey und zog ihr Rettet-den-Regenwald-Nachthemd aus, »nachdem dein tuntiger Dekorateur die Heizung mit Gittern verkleidet hat?«
»Warum versuchst du‘s nicht mit dem Wäschetrockner?« schlug Ally vor, wobei ihr klar war, dass ihre elterliche Logik einen Haken haben musste.
»Mum«, antwortete Janey langsam und geduldig, »es weiß doch jeder, dass man eine 501 nicht in den Wäschetrockner stecken kann. Sie sind vorgewaschen.«
Ally gab den aussichtslosen Kampf auf, mit einer Siebzehnjährigen, die noch dazu die eigene Tochter war, zu streiten.
Das Sonnenlicht strömte in die große Küche, einen der wenigen Räume, die der Raumausstatter nicht aufpoliert hatte. Hier gab es tatsächlich ein Kissen, das nicht zu den Vorhängen passte, welch ein Frevel! Angetan von der liebenswerten Schäbigkeit, blickte Ally sich um und beschloss, von nun an sämtliche Musterbücher und Farbtabellen aus dem Haus zu verbannen. In diesem Raum fühlte sie sich wirklich zu Hause.
Bevor sie hier eingezogen waren, war Fairlawns mit seinen viktorianischen Türmchen und Giebeln und dem Labyrinth von Zimmern ein Club gewesen, und zwar einer von der noblen Sorte, wo reifere Herren gern auf einen Drink und eine Partie Billard hereinschauten, während sie vorgaben, das Hündchen Gassi zu führen. Bei ihrem Einzug hatte Matt darauf bestanden, den Billardtisch in der Vorhalle stehenzulassen, und alle Jubeljahre einmal schneite ein alter Knabe mit Panamahut herein, der einen Billardstock unter dem Arm hielt und einen Gin Tonic bestellen wollte.
Ally schaltete den Wasserkocher ein und rief noch einmal nach Matt und den Mädchen. Sie holte die Müsli-Schüsseln heraus und deckte den Tisch. Als sie die Spülmaschine öffnete, sah sie, dass sie voll von schmutzigem Geschirr war. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, sie am Vorabend einzuschalten. Typisch.
Ally spürte, wie der Ärger in ihr hochstieg und beschloss, sich mit einer Dosis aus dem Klassiksender zu beruhigen. Doch kaum hatte sie die Radiotaste gedrückt, zerriss ihr ohrenbetäubende Rockmusik fast das Trommelfell. Vor Schreck schüttete sie sich den Kaffee über den Morgenrock. Sie holte tief Luft. Familienleben.
»Hallo, Mum.« Ally fuhr herum und entdeckte ihre jüngere Tochter Jess, die fertig angezogen hinter dem Wirtschaftsteil der Tageszeitung hervorgrinste. »Ich hab‘ gar nicht gewusst, dass du auf Heavy Metal stehst.«
Jess studierte mit Hingabe die Börsenberichte. Mit neun hatte sie herausgefunden, dass man für jedes Jugendsparbuch, das man anlegte, ein Geschenk bekam. Innerhalb eines Jahres hatte sie gleich mehrere eingerichtet und dafür gratis ein Snoopy-Federmäppchen, zwei Sparschweine aus Keramik, ein Werbe-T-Shirt und ein Abonnement für die Junior-Computerwelt auf Lebenszeit bekommen. Falls Ally jemals das Geld ausging, wusste sie, an wen sie sich wenden musste, und Matt drohte von Zeit zu Zeit, seinem Steuerberater zu kündigen und statt dessen Jess zu engagieren.
»Möchtest du Toast?« fragte Ally mit einem Blick auf die Uhr.
»Gibt es keine Croissants?«
»Nein, gibt es nicht«, erwiderte Ally streng. Wie, um Himmels willen, hatten sie ein Kind in die Welt setzen können, das an Werktagen Croissants erwartete? Matts Mutter wäre entsetzt. Die Boyds waren immer stolz auf ihre Herkunft aus der Arbeiterklasse gewesen. »Die sind für besondere Gelegenheiten.«
»Schade«, meinte Matt, der gerade auftauchte und wundersamerweise bereits angezogen war. »Ich hätte auch gern eines gehabt.«
Ally tätschelte die leichte Wölbung in seiner Taille. »Du kriegst sowieso keines. Die Kamera legt noch mal zehn Pfund drauf, vergiss das nicht.«
»Vielen Dank, Liebling.« Er packte sie von hinten, fuhr mit den Händen in ihren Morgenrock und tastete nach den Pölsterchen an ihrer Taille. »Dann ist es ja gut, dass du nicht im Fernsehen auftrittst.«
Ally schob lachend seine Hände beiseite.
»Warum könnt ihr zwei euch nicht wie Erwachsene benehmen?« fragte Jess, ohne vom Ergebnis einer Studie über die ertragreichsten Investmentfonds des Jahres
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