Liebling, vergiss die Socken nicht
einflussreichen Kreisen zu verkehren und hatten es weiß Gott nicht nötig, stehenzubleiben und ihn anzustarren. Trotzdem drehten sich ein paar Köpfe diskret in ihre Richtung, um zuzusehen, wie Matt Boyd seiner jüngeren Tochter die Tür aufmachte. Und eine oder zwei Mütter empfanden - auch wenn sie es nie zugegeben hätten - leisen Neid, als er Jess in die Arme nahm und sie voller Zuneigung übertrieben heftig an sich drückte.
Jock Wilson, einer der diensthabenden Wachmänner, sah, wie Matt sich in seinem Wagen der Rampe näherte, die in die Tiefgarage von Century Television führte, und drückte auf den Knopf, damit die Schranke aufging. Er winkte, als das Auto auf dem gewohnten Platz einparkte. Im Gegensatz zu einigen anderen Stars war Matt privat genauso freundlich wie vor der Kamera.
»Guten Morgen, Jock. Schöner Tag heute.«
»Traumhaft.« Er lächelte und freute sich, dass er aus seinem Kasten wenigstens ein Stückchen Himmel sehen konnte. »Ein Jammer, dass Sie im Studio sitzen müssen.«
»Erst später. Erst mal habe ich eine zweistündige Besprechung im sechzehnten Stock.«
Matt erwiderte Jocks Lächeln und ging zum Lift. Unterwegs blieb er kurz stehen, um Bryony zu becircen, die furchterregende Empfangsdame, auch »der Rottweiler« genannt, die hinter einem riesigen grauen, mit Telefonen übersäten Tisch saß und den Zugang zum Allerheiligsten von Century Television bewachte. Matt fragte sich manchmal, ob man Bryony in Wahrheit vielleicht eingestellt hatte, um alle Leute abzuwimmeln, anstatt des Naheliegendere zu tun und ein paar von ihnen hereinzulassen. Aber immerhin war sie demokratisch. Als nach langwierigen, heiklen Verhandlungen von Seiten der Nachrichtenredaktion der König von Norwegen eingewilligt hatte, in der Mittagssendung ein Kommunique zu verlesen, hatte Bryony sich Gerüchten zufolge bei seinem Eintreffen vorgereckt und ihm nachgebrüllt: »He, Sie! Was haben Sie noch mal gesagt, wo Sie König sind?«
Matt betrat den Sitzungssaal ein paar Minuten bevor die allwöchentliche Produktionssitzung beginnen sollte. Er schenkte sich eine Tasse Kaffee ein und starrte aus dem Fenster auf den von der Sonne beschienenen Fluss hinab, der mehr als fünfzig Meter unter ihm dahinfloss. Century Television befand sich in der besten Lage Londons, an einer Biegung der Themse, von wo man eine atemberaubende Aussicht auf die Lambeth Bridge und das Parlament hatte. Zur Tate Gallery waren es nur fünf Minuten zu Fuß. Matt schlich sich manchmal zur Mittagszeit davon und vertiefte sich in die Turners.
Doch heute hatte er kein Auge für die Pracht, die sich vor ihm erstreckte und im Licht einer frühsommerlichen Hitzewelle glänzte. Immer wieder ging ihm im Kopf herum, was, zum Teufel, er tun sollte. Seine Langeweile und Unruhe nahmen langsam bedrohliche Ausmaße an.
Bernie Long brauchte ihm gar nicht erst zu sagen - obwohl er dies mit Vergnügen tun würde —, dass er seine eigene Karriere ruinieren würde, wenn er nicht aufpasste. Matt hatte bemerkt, dass man seine Gereiztheit inzwischen auf dem Bildschirm erkennen konnte, und das war unverzeihlich.
»Hallo, Matt, altes Haus!« Als er den vertrauten, knurrenden East-End-Tonfall hörte, wandte Matt sich um. »Da bin ich ja froh, dass ich dich allein erwische.«
»Ist schon recht, Bernie, du musst es gar nicht erst sagen.«
»Was sagen?« fragte Bernie ruhig, zog seine ramponierte Lederjacke aus und drapierte sie über einen Stuhl. Darunter trug er ein Sweatshirt und eine Trainingshose, was völlig irreführend war, da Bernie gern behauptete, einer der unsportlichsten Menschen von ganz London zu sein. Seine einzige Körperübung bestand darin, ab und zu einen zu heben. Und das machte er, wie sie beide wussten, ein bisschen zu oft.
»Dass du stinksauer auf mich bist.«
Bernies Mundwinkel hoben sich um einen Millimeter. »Nicht so stinksauer wie damals, als wir Tom Jones bei MidWest hatten und du ihn andauernd Engelbert Humperdinck genannt hast.«
»Das ist fünfzehn Jahre her«, wandte Matt ein. »Außerdem war es am ersten April.« Er grinste bei der Erinnerung. Damals hätte man ihn beinahe hinausgeworfen, doch dann hatte Bernie die Direktoren davon überzeugen können, dass das Ganze ein Scherz sein sollte.
»Wir haben es weit gebracht seit damals.« Bernie legte Matt die Hand auf die Schulter. Das stimmte allerdings. Weiter als sie sich jemals hätten träumen lassen. Fünfzehn Jahre erfolgreiche Zusammenarbeit, die Matt Boyd zu einem der
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