Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lieblingsstücke

Lieblingsstücke

Titel: Lieblingsstücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
Vom Netzwerk:
Redaktionsassistentin
und am Empfang einer Kanzlei gearbeitet. Zwischendrin zwei Kinder bekommen. Das spricht für eine gewisse Vielfältigkeit, qualifiziert mich aber leider nicht als Aufsichtsratsvorsitzende oder Neurochirurgin. Beides Posten, an denen ich durchaus Interesse hätte. Zum einen aus monetären Gründen und zum anderen aus purer Neugierde. Außerdem habe ich schöne Augen, und solche Augen kommen besonders gut zur Geltung, wenn man so ein flottes OP -Häubchen und einen Mundschutz trägt. Auch der Gedanke, dass mir Menschen für immer dankbar sein würden, gefällt mir. Wie viele Mütter, habe ich da ein kleines Defizit. Dankbarkeit kann man in dieser Rolle nur selten erwarten.
    Natürlich hätte ich es noch einmal bei einer Zeitarbeitsfirma versuchen können. Aber eigentlich widerstrebte mir allein der Gedanke daran.
    »Nein«, lehnte ich deshalb ab, »ich bin mir sicher, dass ich schon das Richtige gefunden habe. Ich will selbstbestimmt arbeiten.«
    Christoph ist kein besonders hartnäckiger Mensch. Seinen Vorrat an Hartnäckigkeit verbraucht er vor Gericht und beim Joggen. Nach den Jahren mit mir ahnte er vermutlich auch, dass jegliche Gegenwehr mich nur noch mehr angestachelt hätte. Das war bei mir schon immer so. Je mehr Gegenwind ich verspüre, umso mehr will ich etwas. Gerade wenn alle anderen finden, es wäre Unsinn. Da kann ich fast schon kindisch werden. Manche nennen es Trotz – ich nenne es Selbstbewusstsein und Beharrlichkeit.
    »Morgen fange ich an«, schaffte ich Tatsachen, »ich brauche nur das halbe Büro und ansonsten wirst du von meiner Tätigkeit kaum etwas mitbekommen. Du wirst noch dankbar sein für meine Idee.«
    Christoph zog eine Fluppe, murmelte etwas wie: »Du wirst schon sehen, was du davon hast. Tu, was du nicht lassen kannst, aber jammere mich später nicht voll«, und zog sich seine Joggingschuhe an. »Ich muss jetzt laufen, die große Runde.« Laufen ist Christophs Leidenschaft. Er war schon immer wieder mal gerannt, aber seit er die magische Vierzig überschritten hatte, bekam das ehemalige Hobby manische Züge. Er läuft wie ein Irrer. Und das nicht einfach nach dem Lustprinzip, sondern nach ausgeklügelten Trainingsplänen von sogenannten Laufgurus. Ich hatte schon mal sanft nachgefragt, ob er da vor irgendwas davonlief. Hatte meine Freundin Sabine vermutet. Eine These, die ich ganz einleuchtend fand. Christoph hatte mich angeschaut, als hätte er gerade eben von einer sehr schlimmen Krankheit erfahren. Mit Bestürzung.
    »Natürlich nicht«, hatte er nur geantwortet, »ich trainiere. Für den New-York-Marathon. Das weißt du doch.« Mich hatte die Antwort nicht weiter verwundert. Christoph ist jegliches Psychologisieren fremd. Dabei liegt die Lösung für den Sportwahn bei Männern in einem ganz bestimmten Alter auf der Hand. Es ist ein letztes Aufbäumen. Auswirkung der männlichen Wechseljahre. Sich nochmal beweisen. Großes leisten. Es den Jungspunden richtig zeigen. Zeigen, dass man noch lange nicht zum alten Eisen gehört. Bei Christoph kam hinzu, dass er, der leptosome Typ, der bis vor vier Jahren nicht mal ahnte, was Körperfett war, ordentlich Hüftgold entwickelt hatte. Eine Tatsache, die mich überhaupt nicht störte, jedenfalls nicht, solange er seine Füße sehen konnte und ohne Kran aus dem Bett kam, also eine einigermaßen normale Figur hatte. Im Gegenteil, sein Speckring entlastete mich. Führte zu Entspannung an der Gewichtshysteriefront. Man fühlt
sich selbst besser. Vor allem, wenn man wie ich immer ein bisschen kämpfen muss. Und mit dem Alter wird das Gerangel um eine freundliche Zahl auf der Waage auch nicht leichter. Im Gegenteil. Der Speck wird von Jahr zu Jahr anhänglicher. Sucht beharrlich unsere Nähe, so wie Mark Medlock die von Dieter Bohlen. Meiner ist so aufdringlich, dass es schon an Belästigung grenzt. Ich habe mich schon öfters gefragt, ob ich eine Art Wirt bin und der Speck symbiotisch mit mir lebt. Mich also zum Überleben braucht. Ein kleiner Knackpunkt an dieser Theorie ist die Einseitigkeit der Beziehung. Soweit ich mich an meinen Biologieunterricht erinnere, profitieren bei diesem Modell aber eigentlich beide Seiten. Bis heute konnte mir der Speck allerdings noch keine Auskunft darüber geben, was ich jetzt eigentlich von ihm habe.
    Ist man umgeben von Menschen mit übermenschlicher Disziplin, die sich einen Hauch Nudeln auf ihren Teller tun, garniert mit Spurenelementen von Hackfleischsauce, und dann stundenlang daran

Weitere Kostenlose Bücher