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Lieblingsstücke

Lieblingsstücke

Titel: Lieblingsstücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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dass das ein Irrtum ist. Mein Hirn hat nur begrenzte Kapazitäten. Das ist keine schöne Erkenntnis, aber manchmal muss man sich der Wahrheit stellen. Schließlich sind in meinem Gehirn schon die Stundenpläne der Kinder, die Geburtstage der kompletten Sippe, die Lieblingsgerichte meiner Familie und seit neustem auch die afrikanischen Hauptstädte abgespeichert. Hauptstädte zu lernen hat sich zu einer kleinen Obsession entwickelt. Da Afrika der Kontinent mit den meisten Ländern ist, habe ich mir erst mal Afrika vorgenommen. Der Rest der Welt muss warten. Abends vor dem Fernseher lerne ich parallel und habe das Gefühl, etwas für meinen Kopf zu tun.
    Christoph findet das kurios. »Unnötiges Wissen. Wozu soll das gut sein? Wenn ich eine Hauptstadt nicht kenne, schlage ich nach. Im Alltag sind afrikanische Hauptstädte nicht relevant.«
    Na und. Gerade das gefällt mir an den Hauptstädten. Das ist etwas, was ich nur für mich mache. Keine Gefälligkeit für irgendwen. Eine Art Geheimtraining. Ein sehr individuelles Hobby eben. Nicht so gewöhnlich. Und ob es sinnvoller ist, die Bundesligatabelle auswendig aufsagen zu können, oder wie Freundinnen von mir nächtelang Sudoku zu lösen, ist ja wohl auch mehr als fraglich. Ganz tief drinnen bin ich übrigens davon überzeugt, dass sich auch diese Marotte irgendwann auszahlen wird. Und das nicht nur, weil mein Hirn durchs Training sicher sehr viel besser durchblutet wird und ich deshalb eine Art Immunschutz
gegen Alzheimer entwickeln werde. Ich sehe mich schon bei Günther Jauch als genialen Telefonjoker, der wie aus der Pistole geschossen die Hauptstadt von Lesotho weiß. Maseru. Wie Masern nur mit U. Ich muss mir zum Lernen Brücken bauen, nur so speichert mein Gehirn die Information. Die Gedächtnisforschung sagt, dass je abstruser die Bilder im Kopf sind, umso eher das Gelernte hängen bleibt. Bei mir trifft das voll zu. Ich blättere in Atlanten und pauke, als hätte ich demnächst eine Hauptstädteprüfung, von der mein weiteres Leben abhängt. Zusätzlich habe ich mir Kassetten besprochen. Mit dem kleinen Kassettenrekorder meines Sohnes, der praktischerweise ein Mikrofon hat. Lernerfolge stellen sich eher ein, wenn man alle Sinne anspricht. Da man Hauptstädte eindeutig nicht erriechen kann (jedenfalls dann nicht, wenn man nicht vor Ort ist), gucke ich sie mir an, schreibe sie auf und höre mich mit meinen Kassetten selbst ab. Optimal wäre es natürlich, abends beim Einschlafen die Kassetten laufen zu lassen, damit das Hauptstadtwissen in mein Unterbewusstsein eindringen kann, aber diese Idee scheitert an Christophs Veto.
    Jetzt allerdings gilt es, hier unten in meinem eBay-Chaos wieder so etwas wie Form reinzubringen. Ich habe mittlerweile nicht nur Kunden aus unserem beschaulichen Vorort, sondern auch aus Frankfurt. Zum Teil echte Stammkunden. Darauf bin ich ziemlich stolz. Leider herrscht dadurch hier vormittags inzwischen ein dermaßenes Kommen und Gehen, dass man denken könnte, es gäbe was umsonst. Vormittags, montags bis donnerstags ist Abgabezeit. Immer zwischen halb elf und eins.
    Am Anfang meiner Karriere habe ich keinerlei zeitliche Begrenzungen gemacht und mit jedem, der kam, noch
gemütlich einen Kaffee getrunken und geplaudert. Das hat allerdings zu gewissen innerfamiliären Spannungen geführt. Wenn während des Abendessens irgendwelche Kerle mit Küchenmaschinen oder Bücherkartons vor der Tür standen und ich sie auch noch auf ein Wurstbrot eingeladen habe, hat das Christoph nicht wirklich gefallen. Dabei gehört Kundenpflege nun mal zum Geschäft. Selbst das Argument, dass er seinen Kopf abends auch noch oft genug in Akten steckt, hat ihn nicht überzeugen können.
    »Bei allem Geschäftssinn, Andrea«, hat er sich beschwert, »ein kleines bisschen Zeit für die Familie sollte doch übrig bleiben.«
    Ich habe nur »danke, gleichfalls« gesagt, und da hat er doch glatt gesagt, man könne wohl kaum seine und meine Arbeit vergleichen. Schließlich säßen seine Mandanten abends nicht hier rum und würden seine Lieblingssalami aufessen. Ein Argument, dem ich mich nicht ganz verschließen konnte. Deshalb habe ich Öffnungszeiten eingeführt. Das erleichtert die Arbeitsabläufe tatsächlich um einiges.
    Dann habe ich noch eine Art Beschreibungszettel entworfen. Abgabedatum, Artikel und Wunscherlös. Dazu natürlich Angaben zum Besitzer, Telefonnummer und Kontodaten. Mit diesem Papier habe ich auch gleichzeitig eine Art Vertrag. Die Kunden

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