Lieblingsstücke

herumkauen, während man selbst gerade die zweite große Portion mit ordentlich viel Sauce und Käse reinschaufelt und sich dabei schon aufs Tiramisu freut, kann man schnell in eine Krise stürzen. An der Seite eines weiteren »guten Essers«, wie meine Schwiegermutter Inge freundlich das Phänomen Vielfraß umschreibt, fällt die Problemverdrängung erheblich leichter. Leider hatte Christoph mittlerweile bemerkt, dass da an seinen Hüften was dranhing, was früher nicht da war. Das hatte zu einer gewissen Panik geführt. Wer wie ich schon immer ein paar Reserven hatte, den konnte ein zusätzliches Pfündchen hier oder da nicht so verstören. Man kennt das Grunddilemma und befindet sich in einer Art Endlosschleife. Nicht so allerdings mein Mann. Er war kurz davor, sich
die Love Handles, so nennen die Amis liebevoll ihren Hüftspeck, absaugen zu lassen. Als ich ihm Genaueres über den Vorgang erzählte, hatte er die Idee aber dann sofort wieder verworfen. Christoph ekelt sich schnell. Er wäre als Kandidat fürs Dschungelcamp eine absolute Fehlbesetzung. Allein die Schilderung, wie seine Hüften dann mit dicken Kanülen durchstoßen werden und das Fett wie bei einem feisten Stück Spickbraten aus ihm rauswabert, eine gelbe zähe dickflüssige Masse, hatte ihn sofort dazu gebracht, den Gedanken ad acta zu legen. Vor allem meine Information, dass man nach der Fettabsaugung noch wochenlang eine Art Mieder tragen musste, hatte ihn richtiggehend abgestoßen. Lecker ist so eine Fettabsaugung ja wirklich nicht. Ich kannte mich übrigens nur so gut aus, weil man diesen Eingriff ja nahezu täglich auf irgendwelchen Privatsendern vorgeführt bekam. So detailliert, dass man den Eindruck hatte, mit dem nötigen Werkzeug könnte man es locker selbst machen. Und, weil ich ehrlich gesagt doch auch schon das eine oder andere Mal daran gedacht hatte, mich so meiner kleinen Reserven zu entledigen. Aber, wie schon erwähnt, ich bin ein Schisser. Und statt Speck dann eine Dellenlandschaft zu haben, ist auch nicht verlockend. Im Gegensatz zu mir kann sich Christoph ein kollegiales und freundschaftliches Miteinander mit seinen niedlichen Hüftringen nicht vorstellen. Als Erstes hatte er deshalb beschlossen, eine Diät zu machen. Seine allererste. Männer und Diät. Ein weites Feld. Auch Christoph hatte mitbekommen, dass Obst und Gemüse sowie Salat diättauglich waren. Dass aber in einem kleinen Stück Leberkäse mehr Fett steckt als in einem riesigen Putenschnitzel, fand er allerdings unlogisch.
    »Wie soll das denn gehen?«, hatte er mich mürrisch gefragt.
So als würde ich bestimmen, welches Lebensmittel fettig und kalorienreich war und aus reiner Gehässigkeit dabei alle seine Lieblingsspeisen auswählen. Wäre ja schön, wenn ich in der Hinsicht was zu sagen hätte, ist aber nicht so. Wenn dem nämlich so wäre, dann wäre Sellerie extrem kalorienreich, eine Fettbombe sozusagen, und Mousse au Chocolat eine Top-Empfehlung auf den Listen der Diätgurus. Christoph hatte sich mit seiner Diät nicht besonders wohlgefühlt und deshalb irgendwann beschlossen, auf Hardcore-Sport umzusteigen. Seitdem rennt er, als wollte er auf seine alten Tage noch die Olympiaqualifikation schaffen.
     
    Das Büro sieht entsetzlich aus. Ich hätte meinen Wein oben bei Christoph trinken und mich dann schnell ins Bett verziehen sollen. Alkohol rein und Decke über den Kopf. Die bewährte Vogel-Strauß-Taktik. Abtauchen und so die Berge im Keller vergessen.
    Es stapelt sich dort nämlich ein wenig. Das war ein Aspekt, den ich zu Beginn meiner eBay-Karriere nicht bedacht hatte. Die Logistik. All der Kram, den mir teilweise wildfremde Menschen zum Versteigern bringen, nimmt immensen Platz ein. Dazu habe ich einen Mördervorrat an Paketen und Päckchen in allen erdenklichen Größen. Es macht nämlich keinen Sinn, mit jedem kleinen Päckchen einzeln zur Post zu dackeln, Schlange zu stehen, nur um dann das passende Porto zu ergattern. Gut vorbereitet zu sein, spart viel Zeit. Und die braucht man für dieses Geschäft. Einen Artikel bei eBay im Auge zu behalten ist nicht das Problem. Hat man aber eine ganze Produktpalette, quasi einen Gemischtwarenladen, im Angebot, ist die Lage schon anders. Ich hätte zu Beginn nie gedacht, dass
das so mühsam sein würde. Vor allem, weil genaue Buchführung nicht unbedingt zu meinen Hobbys gehört. Ich dachte, ich könnte mir merken, wer was vorbeigebracht hat und wann welche Auktion ausläuft.
    Relativ schnell habe ich gemerkt,