Lieblingsstücke
Grauen, auf das ich gestoßen war, sprechen konnte. Sonst hätte ich ja den Grund der Wühlerei offenbaren müssen. Aber das Reliheftversteck wollte ich mir merken und es in
den folgenden Tagen ganz zufällig entdecken. Nach dem Motto: Huch, was haben wir denn da? Die sollte sich auf was gefasst machen. Auch die Mandarine steckte ich schön wieder zwischen die Klamotten, die zu einer reichlich abgeliebten Babypuppe gehörten. Ein weiterer Trumpf für später. Hoffentlich vergaß ich sie dort nicht, und sie würde anfangen sich zu vermehren – durch Gasfäulnisbildung oder Ähnliches. Heutzutage war ja fast alles möglich. Irgendwann würde ich dieses Zimmer betreten wollen, und eine gigantische Mandarine mit zahlreichen Nachkommen und riesigen weißen netzartigen Fäden, die quer durchs Zimmer laufen, würde mir den Weg versperren und mich nach einer fiesen Explosion mit diesen weißen Fasern verschlingen. Trotz dieser Bedenken musste die Mandarine an Ort und Stelle bleiben. Nichts im Leben ist eben ohne Risiko.
Nach etwa zweieinhalb Stunden hatte ich alles, was noch übrig war vom ehemaligen Puppenhauszubehör, zusammengesucht. Ein Stuhl hatte leider keine Beine mehr, und das Klo blieb definitiv verschwunden. Ansonsten war alles in ziemlich gutem Zustand. Da sag nochmal einer, Qualität lohnt sich nicht. Jetzt musste ich nur noch ansprechende Fotos machen und einen schönen Text schreiben, und schon bald würde das Geld auf mein Konto fließen. Ein herrlicher Gedanke. Endlich würden sich die Kosten, post mortem sozusagen, amortisieren. Das wäre dann eigentlich nur fair, schon als Ausgleich für die damalige Weihnachtsschmach.
Die Puppenmöbel und ich hatten eine wunderbare Fotosession. Als ginge es um ein internationales Puppenmöbel-Casting, arrangierte und dekorierte ich die einzelnen Möbel auf Kissen. Selbstverständlich machte ich auch
noch ein Gruppenbild. Haus und Möbel. Im Hintergrund eine unserer wenigen Grünpflanzen in gutem Zustand. Die Bilder sahen herzerweichend niedlich aus. Gut so, denn Heike hatte mir gesagt, dass Bilder, gute Bilder, die halbe Miete bei eBay seien und dass der, der keine Bilder zu seinen Artikeln veröffentlichte, sie sowieso gleich behalten konnte.
Das Texten machte mir erstaunlicherweise richtig Spaß. Mal ordentlich auf den Putz zu hauen, jegliche Bescheidenheit zu vergessen und in Adjektiven zu schwelgen. Heike hatte mir geraten, nicht zu professionell aufzutreten. Lieber ein bisschen schlichter und dafür grundehrlich. Glaubwürdigkeit sei das Zauberwort bei eBay.
Am Ende war ich äußerst zufrieden mit meinem schleimigen Text. Er war wirklich überhaupt gar nicht anspruchsvoll, aber dafür hätte selbst ich mir garantiert alles abgenommen.
Eines meiner Lieblingsstücke:
Gigantisches Puppenhaus, mehrstöckig, dekorativ und robust. Ein zauberhaftes, nostalgisches, aber dennoch zeitlos klassisches Puppenhaus, das nicht nur Kinderherzen höher schlagen lässt. Mit diesem Puppenhaus erfüllen sich Träume und das zu einem spektakulär günstigen Preis!!!
Jegliches Zubehör (unten gesondert aufgelistet), Mobiliar im Landhausstil, alles nur Vorstellbare (bis auf die Toilette) ist im Preis inbegriffen. Eine Super-Chance! Normalerweise kostet allein das Kinderzimmer mit Doppelstockbett, Nachttisch und kleiner Sitzecke über 20 ,– Euro! Das Puppenhaus hat fast keinerlei Gebrauchsspuren und wird auch in zwanzig Jahren noch absolut top-aktuell sein! Ich trenne mich nur schwer davon, aber unsere Tochter ist einfach aus dem
Puppenalter raus. Sie macht Abitur und will sich dann mit dem Erlös eine Reise nach Afrika mitfinanzieren. Wir wünschen uns liebevolle Hände für das wirklich schöne Haus! Viel Glück beim Ersteigern!!!
Das musste an Süßholzraspelei dann doch reichen. Dicker auftragen ging ja kaum mehr. Okay, ein wenig geschwindelt war das alles schon. Aber richtig gelogen dann auch wieder nicht. Jedenfalls war alles irgendwie im Bereich des Möglichen. Claudia würde ja irgendwann hoffentlich ihr Abitur machen, und ich hatte mich ja auch zeitlich nicht festgelegt. Außerdem ging es die Leute ja nun auch echt nichts an, wann genau das sein würde. Und vielleicht wollte sie dann tatsächlich nichts mehr als mal nach Afrika. Konnte ja sein. Da das eine sehr weite Reise war, konnte man gar nicht früh genug mit dem Sparen anfangen. Das klang vor allem prima und auf jeden Fall wesentlich besser als: »Unsere Tochter hatte nie Spaß an dem Holzteil. Sie hat das
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