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Lieblingsstücke

Lieblingsstücke

Titel: Lieblingsstücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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den Staub werfen. Nachtragend ist sie zum Glück nämlich nicht. Das bin leider nur ich. Ich weiß, dass es sich um keine besonders schöne Eigenschaft handelt, aber dieses Wissen allein hilft noch nicht. Angeblich ist zwar Selbsterkenntnis der erste Schritt zur Besserung, aber bei mir bleibt es bei diesem ersten Schritt. Ich weiß, dass es kleinkariert ist, nachtragend zu sein, bin es aber trotzdem. Nicht sehr erwachsen, aber leider kann ich nicht anders.
     
    Christoph sitzt im Wohnzimmer, und die Glotze läuft. Keine große Überraschung. Entweder er arbeitet, oder er schaut fern. Er behauptet, es entspanne ihn. Ich glaube, es bewahrt ihn vor den Anstrengungen möglicher Kommunikation. Vor allem mit mir. Wenn der Fernseher läuft, hat man eine Tonkulisse und sitzt nicht da und muss nach unverfänglichen Themen suchen. Das klingt wahrscheinlich schlimmer als es ist. Unsere Ehe bewegt sich, würde ich sagen, auf etwa durchschnittlichem Niveau. Schulnotenmäßig zwischen zwei minus an guten und vier plus an schlechten Tagen. Es regnet keine Rosen, wir beteuern uns nicht stündlich unsere unbändige Liebe, aber ich glaube, generell mögen wir uns (bis auf einige Unarten von Christoph, aber dazu später in aller Ausführlichkeit mehr), und an den meisten Tagen würde ich ihn auch nochmal heiraten. Gut, außer an den Tagen, an denen ich ihn umbringen will.
    »Na, wie war es?«, will er tatsächlich wissen. Bei der Frage wendet er seinen Blick sogar kurz vom Fernseher ab
und zieht seine Augenbrauen ganz leicht nach oben. Wer ihn kennt, weiß, dass das ein Ausdruck von gewissem Spott ist. Das relativiert sein Interesse allerdings schon wieder etwas.
    »Jesus war da. Ist aber wegen mir entwischt. Und Annabelles tote Oma. Die habe ich auch noch vertrieben«, antworte ich für meine Verhältnisse relativ knapp, und er guckt ein ganz klein wenig erstaunt. Aber so erstaunt, dass er mehr wissen will, ist er dann doch nicht, er schüttelt nur kurz, leicht angewidert und spöttisch den Kopf. Bevor er sich wieder seinem Lieblingsobjekt, dem Fernsehgerät, widmet, teilt er mir noch schnell mit, dass mein Vater angerufen hat.
    »Er klang irgendwie komisch, hat das aber abgestritten. Er meldet sich morgen bei dir.«
    Auch gut. So spannend, dass ich noch stundenlang über das bekloppte Seminar reden möchte, ist es auch wieder nicht gewesen. Und für die Kursgebühr möchte ich mich auch nicht schon wieder rechtfertigen müssen. Außerdem wartet im Keller noch massenweise Arbeit auf mich. Meinen Vater kann ich um diese Zeit eh nicht mehr zurückrufen. Punkt halb zehn gehen bei dem die Rollläden runter, und Papa geht schlafen. Seit Jahren schon. »Was glaubst du, warum ich noch so fit bin?«, reibt er mir oft genug unter die Nase. »Mein Körper bekommt ausreichend Schlaf. Das ist und bleibt das A und O. Schlaf ist das billigste Schönheitsmittel. Da kann keine Creme gegen anstinken. Guck dir deine Mutter an. Was glaubst du, warum die immer noch so aussieht? Weil sie genug schläft. Du solltest besser auch mal früher ins Bett gehen. So wie die Mutti und ich. Selbst deine Schwester Birgit macht das jetzt. Und ehrlich, Andrea, sie sieht jünger aus als du. Ist nicht böse gemeint.«
Fehlt noch, dass er sagt, ich solle es nicht persönlich nehmen. Ich hasse diesen Satz, der zu seinem Standardrepertoire gehört. Wie soll ich es denn sonst nehmen, wenn es um mein Aussehen geht? Aber in diesem Fall bin ich generös. Birgit war schon immer ein bisschen Papis Liebling, und sie sieht definitiv nicht jünger aus als ich. Allein ihre Krähenfüße! Mit diesem Wissen im Hinterkopf fällt es bedeutend leichter, großzügig zu sein.
    Wäre Schlaf ein Produkt, mein Vater wäre der optimale Promoter. Anrufe nach halb zehn sind deshalb fast schon ein Sakrileg. Geburten und Todesfälle oder zumindest schwere Unfälle – dann ja, aber andere Gründe für Anrufe nach halb zehn sind undenkbar.
    »Ich geh nochmal runter, ein paar Sachen erledigen«, sage ich zu Christoph, schnappe mir in der Küche ein Glas Wein und mache mich ab in den Keller.
    Hier ist mein Büro. Also eigentlich ist es unser gemeinsames Büro. Christoph und ich teilen uns den so genannten Hobbyraum unseres Reihenhauses und nutzen ihn als Arbeitszimmer. Früher hießen diese Räume Partykeller. Meistens mit Theke und Barhockern und das Ganze in Eiche rustikal. Ziemlich spießig auf den ersten Blick, aber immerhin haben die damals noch Partys gefeiert.
    Tolles Hobby: Arbeiten. Doch es

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