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Lied des Schicksals

Lied des Schicksals

Titel: Lied des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merice Briffa
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rot wurde, und drehte sich rasch um. Wie dumm von ihr. Natürlich war er nackt. »Sag mir, wenn du angezogen bist.«
    Â»Ich werde mich nicht anziehen, bevor ich trocken bin. Also gehst du am besten gleich wieder.«
    Etty verschränkte die Arme über der Brust. »Ich werde nicht weggehen, also ziehst du dich am besten gleich an.«
    Â»Sei nicht so stur, Etty. Ich will allein sein.«
    Â»Und ich will mit dir reden, also werde ich nicht gehen.«
    Â»Dann wirst du lange Zeit hier herumstehen.«
    Etty machte einen Schmollmund und atmete tief durch. Allmählich wurde sie richtig sauer. »Ich drehe mich jetzt um, Darcy.«
    Er lachte. »Das traust du dich nicht.«
    Sein höhnisches Lachen spornte sie an. Etty drehte sich um und wandte sich, erschrocken nach Luft schnappend, noch schneller wieder ab, als sie Darcy in seiner ganzen braunen Nacktheit am Ufer stehen sah. Er lachte erneut. »Na, gehst du jetzt weg?«
    Â»Ganz bestimmt nicht. Das war gemein von dir, Darcy Winton.«
    Â»Ich hab ja nicht gesagt, du sollst dich umdrehen.«
    Â»Doch, du hast mich dazu herausgefordert.«
    Â»Schämst du dich?«
    Als würde sie so etwas zugeben. »Natürlich nicht«, sagte sie und warf den Kopf in den Nacken.
    Â»Pah!«
    Eine Minute oder sogar länger herrschte Schweigen zwischen ihnen. Etty vertrieb sich die Zeit, indem sie einen Goldaugen-Honigfresser beobachtete, der aus der leuchtend rosa Blüte eines Grevillea-Buschs Nektar saugte. »Du kannst dich wieder umdrehen, Etty«, sagte Darcy schließlich. »Ich bin angezogen.«
    Â»Ehrlich?«
    Â»Ehrlich. Du wirst mich nie wieder nackt sehen – es sei denn, du heiratest mich.«
    Â»Ich dich heiraten?« Etty drehte sich langsam um. Darcy sah sie nicht einmal an. Er baute gerade mit Stöcken eine kleine Pyramide, um ein Feuer zu machen.
    Â»Würdest du das?«, fragte er, ohne von seiner Arbeit aufzublicken.
    Etty, die sich bisher noch keine Gedanken übers Erwachsensein und die Ehe gemacht hatte, war in erster Linie froh darüber, dass offenbar immer noch eine ganz besondere Freundschaft zwischen ihnen bestand. »Frag mich noch mal, wenn ich achtzehn bin.«
    Er lächelte sie an. »Das werde ich. Möchtest du was von meinem Fisch abhaben?«
    Etty setzte sich neben Darcy auf den kahlen Boden. Den gebratenen Fisch aßen sie mit den Fingern und benutzten ein flaches Stück Fels als gemeinsamen Teller. Als sie den letzten köstlichen Bissen von den Gräten gezupft hatten, warf Darcy die schwarze Haut, die Gräten und die von der Hitze zusammengeschrumpften Innereien in den Fluss. Sie wuschen sich die Hände und schüttelten das überflüssige Wasser ab. Dann setzten sie sich wieder auf den Boden.
    Â»Worüber wolltest du mit mir reden?«, fragte Darcy.
    Â»Ruan kommt morgen aus dem Internat nach Hause.« Darcy schwieg. »Louisa hat mir erzählt, was du zu ihr gesagt hast.«
    Â»Dazu hatte sie kein Recht«, brauste Darcy auf, nahm einen flachen Stein und ließ ihn über das Wasser hüpfen.
    Â»Beruhige dich doch, Darcy. Du bist viel zu jähzornig. Warum hast du Louisa von deiner Befürchtung erzählt und nicht mir?«
    Â»Ruan ist dein Bruder.«
    Â»Gerade weil er mein Bruder ist, kenne ich ihn viel besser als Louisa. Er wird sich nicht verändert haben. Nichts wird anders sein als vorher.«
    Â»Bloß dass ich ein anderer geworden bin. Ich hab immer geglaubt, wir wären wie alle anderen auf Langsdale, bis auf unsere dunkle Haut. Nun weiß ich, dass wir es nicht sind und niemals sein werden. Wir sind noch nicht mal so wie die Aborigine-Schäfer oder die Mädchen, die im Haus arbeiten. Also wer sind wir?«
    Â»Diese Frage kann ich dir nicht beantworten, Darcy. Ich kann dir nur versichern, dass du, deine Mutter und Nelson ganz besondere Menschen seid. Ich würde euch gar nicht anders wollen.«
    Darcy hob einen kleinen Zweig auf, an dem zwei vertrocknete Blätter hingen, drehte den Zweig zwischen den Fingern und starrte gebannt auf die wirbelnden Blätter.
    Â»Meine Mutter und Nelson haben mich immer ermutigt, stolz auf mein Aborigine-Blut zu sein. Und ich habe immer geglaubt, dass sie recht haben. Nun frage ich mich jedoch, was für einen Sinn dieser Stolz hat, Etty, wenn man mir sagt, dass ich bestimmte Dinge nicht tun kann, weil ich ein Aborigine bin. Ich frage mich, wie mein Leben aussehen wird,

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