Lied des Schicksals
Dank, Sir.«
»Ist mir ein Vergnügen. Und während ich Sie in der Stadt herumführe, könnten Sie mir auch gleich erzählen, wie mein Sohn in der Schule zurechtkommt.«
»Sobald wir zu Hause sind, werde ich als Allererstes reiten gehen«, erklärte Ruan, als sie noch etwa dreiÃig Minuten von Langsdale entfernt waren. Sein Blick schweifte über die Weiden, auf denen das Gras von der Hitze des langen Sommers welk war, aber immer noch einiges an Viehfutter hergab. Weiter rechts sah er eine kleine Herde von Zuchtschafen. Er atmete tief die kräftige Landluft ein, den Geruch der Bäume, der Schafe und der Eukalypten. Als er einen seltsamen Stich nahe dem Herzen spürte, erkannte er, wie sehr er Langsdale vermisst hatte und wie sehr er sich freute, wieder zu Hause zu sein. Er stieà einen Seufzer aus. »Das Allerschlimmste an der Schule ist, dass man dort nicht reiten kann.«
»Das Allerschlimmste?«, fragte Etty. »Ist es denn da so schrecklich?«
»Manchmal schon. Aber manches ist auch gar nicht so schlecht. Ich habe einen guten Freund namens Jimmy Costner. Seine Familie wohnt in Gippsland. Ganz ehrlich, Etty, ich wünschte, ich brauchte nicht ins Internat zurück. Ich vermisse Langsdale so sehr.«
Etty drückte ihrem Bruder die Hand. »Wir alle haben dich auch vermisst. All die Sachen, die wir zusammen gemacht haben, wie Angeln und so, sind nicht mehr wie früher. Und Darcy hat sich auch verändert.«
»Wie meinst du das?«
»Er schmollt immer noch, weil er nicht mit dir zur Schule gehen durfte.«
Louisa, die bisher sehr wenig gesagt hatte, verteidigte Darcy. »Darcy schmollt nicht. Er ist wütend, weil er so gerne mehr lernen würde.«
»Ich hab ihm versprochen, dass er meine Bücher mit benutzen kann, wenn ich zu Hause bin.«
»Das ist aber nicht das Gleiche, wie zur Schule zu gehen, nicht wahr?«
»Vermutlich nicht.« Ruan machte wieder ein bedrücktes Gesicht. Nun, da sie fast zu Hause waren, betrachtete er Boneys Idee, einen Weg zu finden, wie man Darcy die Schulbildung zukommen lassen konnte, nach der er sich sehnte, nicht mehr so zuversichtlich. Er würde den Mädchen noch nichts davon erzählen. Seinem Vater sollte er besser auch noch nichts sagen. Vielleicht hätte er zunächst gründlicher über alles nachdenken sollen, bevor er seinen Lehrer so spontan einlud.
Jane und Nelson sahen sich schweigend an. Beide dachten das Gleiche. Mr Boniface saà ihnen gegenüber am Tisch, Darcy an der Stirnseite. Jedes Gesicht drückte ein anderes Gefühl aus. Mr Boniface schien ehrlich begeistert, Darcy aufgeregt und erwartungsvoll. Die Mienen von Jane und Nelson wirkten reserviert. Sie hatten sich alles, was der Lehrer zu sagen hatte, kommentarlos angehört. Nun hatte Mr Boniface aufgehört zu sprechen und wartete anscheinend auf eine Reaktion von ihnen.
»Warum genau sind sie so interessiert daran, meinem Sohn Unterricht zu erteilen, Mr Boniface?«
»Als Ruan mir erzählte, dass Sie die Kinder unterrichten, war meine Neugier geweckt. Ich habe nie die allgemeine Meinung akzeptiert, dass Angehörige dunkelhäutiger Rassen weniger intelligent seien als WeiÃe. Ich brauche nur Sie beide anzusehen«, er nickte nacheinander Jane und Nelson zu, »um zu erkennen, dass Sie nicht auf den Kopf gefallen sind.« Er hielt inne, um sich zu räuspern, während die ihm gegenüber Sitzenden einen ironischen Blick tauschten. »Ãh, verzeihen Sie mir, wenn meine Worte herablassend klingen. Ich meine das überhaupt nicht so.«
Jane versuchte, den Lehrer mit einem vagen Lächeln zu beruhigen. »Wir nehmen keinen Anstoà daran, dass Sie die Wahrheit aussprechen, Mr Boniface. Ich bin als Tochter einer weiÃen Familie aufgewachsen und habe häufig die Borniertheit engstirniger Menschen erlebt. Ich glaube, ich kann für meinen Mann und für mich sprechen, wenn ich sage, dass es sehr erfreulich ist, jemanden auÃerhalb unserer Familie â und damit meine ich alle hier auf Langsdale â kennenzulernen, der uns nicht als eine Verirrung der menschlichen Gesellschaft sieht. Sie haben jedoch noch nicht erklärt, warum Sie so sehr daran interessiert sind, ausgerechnet meinem Sohn eine höhere Bildung zu vermitteln.«
Mr Boniface kratzte sich an der rechten Augenbraue, eine Geste, die Ruan vertraut gewesen wäre. »Ethnologie ist eine Art Hobby von
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