Life - Richards, K: Life - Life
mal verdammtes Glück, denn wir saßen im Bentley, und deshalb gab es keine ernsthaften Verletzungen. Der Bentley hat überhaupt einiges einstecken müssen. Noch vor fünf, sechs Jahren klebte mein blutiger Handabdruck auf dem Rücksitz, und auf dem Armaturenbrett war eine Delle, wo ich mit der Nase aufgeschlagen war. Auf diese Delle hab ich mir einiges eingebildet, und als sie eines Tages ausgebessert wurde, war ich richtig enttäuscht.
Ich bin ein guter Autofahrer. Aber wer ist schon perfekt? Irgendwann war ich weggedämmert, ohnmächtig geworden oder eingepennt, und wir kamen von der Straße ab. Ich hörte nur noch, wie Freddie Sessler von hinten brüllte: »Verdammte Scheiße!« Aber immerhin konnte ich den Wagen von der Straße runter auf eine Wiese lenken, und genau das soll man in solchen Fällen tun. Wir haben niemanden verletzt oder getötet, nicht mal uns selbst. Doch
dann durchwühlten die Cops meine Jackentaschen und fanden dort Acid. Wie ich mich da rausgewunden habe? Tja, wir kamen direkt vom Konzert und trugen eine Art Banduniform, also identische Jacketts in verschiedenen Farben. Deshalb war es gut möglich, dass ich an Mick Jaggers Jackett geraten war, oder auch an Charlies. Niemand konnte wissen, wem das Jackett wirklich gehörte, und das brachte ich zu meiner Verteidigung vor.
Außerdem fing ich an, groß zu palavern - nach dem Motto: Das ist mein Leben, so leben wir nun mal, so was kommt eben vor. Ihr lebt ein anderes Leben, und ich tue nur, was ich muss. Wenn da mal was in die Hosen geht - sorry. Ich will bloß in Frieden leben. Lasst mich einfach weiterfahren, zum nächsten Gig. Anders ausgedrückt: »Hey, das ist Rock’n’Roll, nichts weiter.« Aber erzähl das mal einem Haufen Klempner aus Aylesbury. »Er bezauberte die Geschworenen«, hieß es in einem Bericht. Meinetwegen, aber für mich klingt das ziemlich unglaubwürdig. Ich wollte sowieso andere Geschworene, eine Jury, die mindestens zur Hälfe aus Rock’n’Roll-Gitarristen bestand. Sonst wusste doch kein Arsch, wovon ich hier redete! Man sollte von seinesgleichen beurteilt werden, und in meinem Fall wäre das so jemand wie Jimmy Page. Musiker, Leute, die das Leben auf Tour kennen, die wissen, was Sache ist - das wäre angebracht. Eine Ärztin und ein paar Klempner? Die haben doch keine Ahnung. Gut, wenn dieses Verfahren in England Recht und Gesetz ist, respektiere ich es natürlich. Aber ein bisschen könnten sie mir schon entgegenkommen.
Ausnahmsweise wollte mir niemand eine Lektion erteilen, und so kam ich mit einem blauen Auge und einer Geldstrafe davon.
Marlon und ich waren in Paris, als ich erfuhr, dass mein kleiner Sohn Tara gestorben war. Er war in seinem Bettchen aufgefunden worden, erst zwei Monate alt. Wir bereiteten uns gerade auf die Show vor, als der Anruf kam: »Es tut mir sehr leid, aber …« Es war
wie ein Schlag in die Magengrube. »Sicherlich willst du jetzt die Show absagen.« Ein paar Sekunden dachte ich darüber nach. Nein, sagte ich dann, auf keinen Fall sagen wir die Show ab. Alles, nur das nicht, wo sollte ich sonst hin? Was sollte ich sonst tun? In die Schweiz fahren und hoffen, dass alles nicht wahr ist? Es ist wahr, es ist passiert. Oder sollte ich hier rumsitzen und grübeln und den Verstand verlieren und endlos rätseln: warum und wieso? Natürlich rief ich Anita an; sie heulte und schluchzte und ich konnte kaum verstehen, was sie sagte. Sie wollte nach Paris kommen, musste sich aber erst um die Einäscherung und das ganze Hickhack mit der Schweizer Gerichtsmedizin kümmern. Ich konnte nichts tun, außer Marlon zu beschützen. Er sollte das alles nicht mitbekommen. Ohne ihn hätte ich es niemals überstanden. Ich war auf Tour mit einem Siebenjährigen, und für den musste ich jetzt sorgen, das war jetzt meine Aufgabe. Ich konnte nicht ewig rumheulen, mein Sohn brauchte mich. Gott sei Dank war er bei mir. Er verstand nicht so richtig, was geschehen war, dafür war er noch zu jung. Das einzig Gute an der Situation war, dass Marlon und ich vom unmittelbaren Schmerz verschont blieben. Noch am selben Abend ging ich auf die Bühne, und danach schleppte ich mich weiter, von Auftritt zu Auftritt, und versuchte, die beiden Welten voneinander zu trennen. Marlon und ich wuchsen dadurch noch enger zusammen. Einen Sohn hatte ich schon verloren, und das sollte mir kein zweites Mal passieren.
Was war geschehen? Die Details sind mir noch immer schleierhaft. Wenn ich an Tara denke, habe ich einen wunderschönen
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