Life - Richards, K: Life - Life
Wort kommen. Sie kümmerte sich um die Organisation, besorgte die Termine und verhandelte mit den amerikanischen
Promotern. Damals war sie siebenundzwanzig und gehörte zu Peter Rudges Team. Sie war ganz auf sich allein gestellt.
Mary Beth Medley: Wir haben alles mit Karteikarten organisiert. Wenn ich das heute den Leuten erzähle, gucken sie mich an, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank. Wir hatten kein Fax, keine Handys, kein FedEx, keine Computer. Nur einen Autoatlas und eine Karte der Vereinigten Staaten, dazu ein Rolodex. In meinem Büro gab es zumindest ein Telefon, und ich konnte Telegramme nach Europa schicken. Was den Rock’n’ Roll-Lifestyle angeht: Man hätte denken können, dass wir aus dem Vorfall in Fordyce gelernt hätten und jetzt vorsichtiger geworden wären. Trotzdem geschah am Ende der Tournee, also im August 1975, etwas ganz ähnliches. Ich glaube, das habe ich noch niemandem erzählt. Keith spielte die Hauptrolle, aber die anderen waren auch nicht gerade unschuldig dabei. Wir wollten von Jacksonville in Florida nach Hampton in Virginia fliegen. Bill Carter hatte läuten hören, dass das Flugzeug nach der Landung durchsucht werden sollte. Das hatten sie in Louisville, Kentucky, schon einmal gemacht. Sie waren einfach so in die Maschine gestürmt. Um eine erneute Konfrontation mit den Ordnungshütern zu vermeiden, sammelten wir das ganze illegale Zeug ein: Schusswaffen, Messer, Drogen. Wir packten alles in zwei Koffer, die ich in einem Privatflugzeug von Jacksonville nach Hampton, Virginia, brachte und dort zum Hotel fuhr. Der Flug machte mir keine Sorgen. Damals gab es bei Charterflügen noch nicht mal Passagierlisten, mein Name wurde überhaupt nicht erfasst. Die Fahrt zum Hotel allerdings raubte mir den letzten Nerv. Ich hielt mich strikt an die Geschwindigkeitsbegrenzung. Und ich war ganz allein. Endlich erreichte ich das Hotel, ging in ein Zimmer - nicht in meins - und warf die Koffer
aufs Bett. Ein paar Stunden später kamen dann die anderen und holten sich ihre Sachen. Ich glaube, Annie Leibovitz hat sogar ein Foto von den Schätzen gemacht, die in diesen Koffern lagen.
Bild 9
© Annie Leibovitz
KAPITEL 10
In dem Marlon zu meinem Reisegefährten on the road wird.
Der Tod unseres Sohns Tara. Wir ziehen bei John Phillips’ Familie in Chelsea ein. Ich werde in Toronto hochgenommen und wegen Drogenschmuggels angeklagt. Eine Black Box und Jack Daniel’s helfen mir, vom Heroin loszukommen. Aufnahmen zu Some Girls in Paris.
Begegnung mit Lil Wergilis, die mir beim Entzug hilft. 1978 kriege ich Bewährung, die Bedingung: Ich gebe ein Konzert für Blinde.
Anitas Lover erschießt sich beim russischen Roulette, zwischen ihr und mir ist endgültig Schluss.
Ü ber die Jahre war ich verdammt oft am Abgrund vorbeigeschrammt. Am kritischsten war die Verhaftung in Fordyce auf der’75er-Tour. Meine sieben Leben waren aufgebraucht, ich zählte gar nicht mehr mit. Und es sollte noch knapper werden: Razzien, Schüsse, außer Kontrolle geratene Autos. Oft war eine Menge Glück im Spiel, und doch hatte sich der Himmel verdunkelt - ein Sturm zog auf. Während der Tour kam ich wieder mit Uschi zusammen: In San Francisco stieß sie für eine Woche zu uns, um dann wieder für viele Jahre zu verschwinden. Den Herbst verbrachten die Stones in der Schweiz, meiner damaligen Heimat, wo wir weiter an
Black and Blue arbeiteten und Songs wie »Cherry Oh Baby«, »Fool to Cry« und »Hot Stuff« aufnahmen. Die Werbekampagne dafür zeigte eine halbnackte, gefesselte und mit blauen Flecken übersäte Frau, was zu Boykottaufrufen gegen Warner Communications führte. Im März 1976 brachte Anita in Genf unser drittes Kind zur Welt, einen Jungen, dem wir den Namen Tara gaben.
Tara war gerade einen Monat alt, als ich mich auf eine ausgedehnte Europatournee verabschiedete, von April bis Juni. Der siebenjährige Marlon kam mit. Anita und ich waren Junkies; wir versuchten, die Kinder großzuziehen, lebten aber ansonsten in getrennten Welten. Weil ich ständig unterwegs war, fiel mir das nicht weiter schwer, und außerdem hatte ich Marlon an meiner Seite. Für die Stimmung zu Hause ist es nicht gerade förderlich, wenn deine eigene Frau ebenfalls an der Nadel hängt. Inzwischen war sie sogar ein größerer Junkie als ich. Ich bekam praktisch nur noch einen Satz zu hören: »Ist es da?« Alles war bedeutungslos, nur der Stoff war wichtig. Sie wurde immer extremer. Mitten in der Nacht gab es
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