Life - Richards, K: Life - Life
sie alle auf dem Album, dafür die Stones kaum mehr. Als es zwischen mir und Mick so richtig kritisch wurde, reduzierte sich die Zusammenarbeit darauf, dass Don Was und Mick beieinanderhockten und versuchten, unsere Lyrics zusammenzuflicken. Don war so was wie mein Anwalt geworden, er
vertrat mich bei Mick, und jetzt las er ihm meine improvisierten Texte vor. Ich hatte das Zeug ins Mikro gemurmelt, ein kanadisches Mädchen hatte mitgekritzelt, und wenn Don und Mick einen Reim oder eine Zeile oder sonst was brauchten, konsultierten sie diese Notizen. Wir hatten uns weit entfernt von Andrew Oldhams Küche; wir arbeiteten zusammen, ohne überhaupt zusammen zu sein .
Nachdem schon Mick nach Herzenslust Produzenten angeworben hatte, holte ich meinen eigenen Kandidaten dazu, Rob Fraboni. Rob hat eine Angewohnheit, die in dieser Situation, wo alle komplett die Orientierung verloren hatten, ein wenig anstrengend wurde. Er tippt den Leuten gerne mal auf die Schulter, um zu sagen: »Das weißt du bestimmt, aber wenn du das Zeug durch ein M35-Mikro schickst, kannst du es gleich lassen.« Und natürlich wussten sie es nicht .
Trotz allem gefällt mir Bridges to Babylon immer noch sehr gut. Da ist interessantes Zeug drauf. Besonders »Thief in the Night«, »You Don’t Have to Mean It« und »Flip the Switch«. Beim Abmischen von Wingless Angels in Connecticut hatte mich Rob Fraboni mit Blondie bekanntgemacht. Blondie, eigentlich Terence Chaplin, war ins Studio gekommen und hatte ein bisschen mit angepackt. Ursprünglich stammt er aus Durban. Sein Vater Harry Chaplin war einer der besten Banjospieler in ganz Südafrika gewesen; er hatte den Blue Train zwischen Johannesburg und Kapstadt beackert. Blondie hatte eine eigene Band, The Flames, mit Ricky Fataar, einem Drummer, der viel mit Bonnie Raitt arbeitet, und Rickys Bruder. Die Flames waren die erfolgreichste Band Südafrikas, obwohl Blondie wie die restliche Band als »farbig« klassifiziert wurde. Ansonsten ging er als Weißer durch, das war noch zu Zeiten der Apartheid. In den USA wurden die Jungs dann von den Beach Boys adoptiert. Sie zogen nach L. A., wo Blondie als Ersatzmann für Brian Wilson fungierte. Auf dem Beach-Boys-Hit »Sail
On, Sailor« übernahm er den Gesangspart, und Ricky wurde zum Drummer der Beach Boys, deren Album Holland wiederum Rob Fraboni produzierte - noch so ein musikalischer Stammbaum, dem damit weitere Äste wuchsen. Während der Proben zu Bridges of Babylon fragte ich Blondie, ob er mal vorbeikommen wollte, und seitdem sind wir gut befreundet. Meine damaligen Songs waren stark geprägt von Blondie und Bernard, ihr Backgroundgesang wirkte sich auf die Kompositionen aus. Heute arbeitet Blondie ständig mit mir zusammen. Er gehört zu den besten Typen, die ich je kennenlernen durfte.
Viele Songs haben einen doppelten Boden, eine Geschichte in der Geschichte. Hier ein paar Beispiele.
»Flip the Switch« war mehr oder weniger scherzhaft gemeint, aber kaum hatte ich den Song geschrieben, musste ich feststellen, dass er erschreckend prophetisch war:
I got my money, my ticket, all that shit
I even got myself a little shaving kit
What would it take to bury me?
I can’t wait, I can’t wait to see.
I’ve got a toothbrush, mouthwash, all that shit
I’m looking down in the filthy pit
I had the turkey and the stuffing too
I even saved a little bit for you.
Pick me up - baby, I’m ready to go
Yeah, take me up - baby, I’m ready to blow
Switch me up - baby, if you’re ready to go, baby
I’ve got nowhere to go - baby, I’m ready to go.
Chill me freeze me
To my bones
Ah, flip the switch.
Im circa hundertfünfzig Kilometer entfernten San Diego kam es kurz nach Fertigstellung des Songs - drei Tage später oder so - zu einem Massenselbstmord. Neununddreißig Mitglieder der UFO-Sekte Heaven’s Gate waren zu dem Schluss gekommen, dass die Erde unmittelbar vor der Zerstörung stand, und wollten daher auf das UFO aufspringen, das dem tödlichen Kometen folgen sollte. Als Ticket diente ein Gemisch aus Phenobarbital, Apfelmus und Wodka, das ihnen über Schläuche zugeführt wurde. Sie legten sich in ihren Uniformen hin und warteten auf den Abtransport. Sie zogen es durch. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, hieß es, da hätte sich ein Haufen Leute umgebracht, alle schön ordentlich aufgereiht, in freudiger Erwartung ihrer neuen Heimat. Eine bizarre Situation, die ich kein zweites Mal erleben will, und das ist noch
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