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Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
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aber ohne viel diplomatisches Geschick wären wir 1994 trotzdem nicht zusammengekommen. Wieder flogen wir nach Barbados, um auszutesten, ob wir uns gut genug verstanden, um ein weiteres Album in Angriff zu nehmen oder nicht. Tatsächlich lief es gut, wie meistens, wenn wir zwei allein waren. Ich hatte nur Pierre mitgenommen, der mittlerweile für
mich arbeitete. Wir kamen auf einer Zitronengrasplantage unter, wo mir ein Gefährte zulief, dessen Name später das Album und die folgende Tour zieren sollte: Voodoo Lounge .
    Ein Sturm war aufgezogen, der sich in einem dieser sintflutartigen tropischen Regengüsse entlud. Ich flitzte los, um Zigaretten zu holen, als ich auf einmal ein Maunzen hörte. Wahrscheinlich eine dieser riesigen Kröten, dachte ich mir, denn die machten auch so katzenähnliche Geräusche. Trotzdem schaute ich mich um - und am anderen Ende des Kanalrohrs auf dem Steg hockte ein kleiner, durchnässter Kater. Er biss mich prompt in die Hand. Ich wusste schon, da unten wohnen ein Haufen Katzen. Ach ja, du kommst also vom anderen Ende der Abwasserleitung? Los, lauf zurück zu deiner Mutter! Ich schob den Kleinen ins Rohr und drehte mich um, aber sofort kam er wieder rausgeschossen. Offensichtlich war er dort nicht willkommen. Egal, ich stopfte ihn wieder rein. Mach schon, sagte ich, geh zurück zu deinen Artgenossen. Doch er kam jedes Mal wieder raus. Und schaute mich dabei mit seinen traurigen Augen so lange an, bis ich mir sagte: Scheiß drauf! Ich steckte ihn in die Tasche und rannte nach Hause, bevor ich selbst noch ersoff wie eine Ratte. Schließlich stand ich in meinem komplett durchweichten bodenlangen Leoparden-Bademantel in der Tür, wie ein Hohepriester unter der Dusche, noch dazu mit einem Kätzchen in der Hand. »Pierre«, sagte ich, »es gibt eine kleine Planänderung.« Der Kleine war ziemlich am Ende, wenn wir uns nicht um ihn kümmerten, wäre er am nächsten Morgen tot. Also taten Pierre und ich, was man in solchen Fällen eben tut: Wir gossen Milch in einen Teller und tunkten seinen Kopf rein. Und er schleckte los. Okay, offensichtlich war er eine Kämpfernatur, jetzt müssen wir ihm nur noch Nachschub liefern, dann wird er schon wieder. Weil wir auf Barbados waren und weil es um seine Überlebenschancen nicht gerade gut gestanden hatte, nannten wir ihn
Voodoo, von wegen Voodoo-Glückszauber und so weiter. Der Kleine folgte mir überallhin. Meist logierte er auf der Terrasse, und deshalb hieß die Terrasse bald Voodoo Lounge. Ich stellte sogar Schilder auf. Voodoo hockte immer auf meiner Schulter oder war sonst irgendwie in der Nähe. Wochenlang musste ich ihn vor den anderen Katern beschützen, denn die wollten ihm ernsthaft ans Leder. Noch ein Kater in ihrem Revier, das wollten sie nicht akzeptieren. Sie rotteten sich zu einem Lynchmob zusammen - »Rück den kleinen Scheißer raus!« -, während ich sie mit Steinen bombardierte. Schließlich landete Voodoo in meinem Haus in Connecticut. Barbados hatte uns zusammengeschweißt, erst 2007 verschwand er. Er war eben ein Streuner, meine wild cat .
    Für die Arbeit an Voodoo Lounge siedelten wir in Ronnies Haus im irischen County Kildare über. Alles lief wunderbar, bis wir erfuhren, dass Jerry Lee Lewis gleich um die Ecke wohnte. Er versteckte sich vor der amerikanischen Steuerbehörde oder irgendwas in der Art. Es war nicht weit, vielleicht ein, zwei Stunden. Also fragten wir, ob er nicht mal raufkommen und mit uns spielen wollte. Klar!, hieß es. Nur leider glaubte er, wir würden ein Jerry-Lee-Lewis-Album mit den Stones als Backgroundband aufnehmen. Vielleicht kam unsere Anfrage auch falsch rüber. Eigentlich meinten wir bloß, er solle doch mal vorbeischauen, ein bisschen jammen. Wir hatten nichts Bestimmtes vor, aber ein komplettes Studio am Start, also los! Rock’n’Roll! Und wir nahmen eine Menge Zeug auf, teils richtig gutes Zeug, das immer noch irgendwo auf irgendwelchen Tapes lagert. Doch als wir die Bänder durchhörten, fing Jerry auf einmal an: »Hey, hier ist der Drummer ein bisschen langsam.« Er begann die ganze Band auseinanderzupflücken! »Hey, diese Gitarre …« Ich starrte ihn an: »Jerry, das ist doch nur der erste Durchgang, die richtigen Aufnahmen kommen erst noch, wir haben nur ein bisschen rumgespielt.« Wieder mal stieg bei mir
der rote Nebel auf. »So, du willst also meine Band zerlegen, wie war noch mal der Name? Lewis? So, so, du stammst also aus Wales. Ich heiße Richards. Zwei Waliser also. Okay, ich

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