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Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
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hieß. Und dann hob er einfach ab, in ein wundervolles Solo. »Ich dachte, ich wäre hier, um bloß einen Auftrag zu erfüllen«, sagte er hinterher, »und dann blas ich mir hier die Lunge aus dem Leib!« Was den Schluss des Songs anging, hatte ich ihm nur gesagt: Mach, was du willst, du hast völlige Freiheit, zieh dein Ding durch. Wayne war großartig. Und dazu noch Charlie Watts, der beste Jazzdrummer des gottverdammten Jahrhunderts - eine brillante Session! »How Can I Stop« kam wirklich von Herzen. Vielleicht werden wir auch einfach langsam alt. Der Song ist anders als die früheren, die Gefühle scheinen unmittelbarer durch. »How Can I Stop« trägt sein Herz auf der Zunge.

    Und darum ging es mir eigentlich immer: Man singt nicht, um irgendwas zu verstecken. Ganz im Gegenteil. Mit der Zeit wurde meine Stimme besser und stärker, und irgendwann konnte ich dieses ungefilterte Gefühl auch rüberbringen. Ich schrieb ruhigere Lieder, Liebeslieder, wenn man so will. Vor fünfzehn Jahren hätte ich das nicht hingekriegt. Wenn man so vor dem Mikro steht und einen Song komponiert, fühlt man sich fast, als würde man sich an einem Freund festklammern. Geh voraus, Bruder, ich folge dir, und um den Kleinkram kümmern wir uns später. Eine Reise mit verbundenen Augen. Dir ist dieses Riff eingefallen, eine Akkordfolge, irgendwas, aber was ich jetzt dazu singen soll - keine Ahnung. Doch ich brüte nicht tagelang über irgendwelchen Gedichten. Und das Faszinierende ist, wenn du dort vor dem Mikro stehst und weißt, jetzt geht es gleich los, kommt irgendwelches Zeug aus dir raus, das du dir nie erträumt hättest. Aber schon eine Millisekunde später musst du nachlegen, irgendwas, was dazu passt. Du trägst einen Zweikampf mit dir selbst aus. Und plötzlich nimmt es Form an, plötzlich hat das Ganze einen Rahmen. Natürlich verrennst du dich auf die Art ziemlich oft. Aber du musst dich einfach vors Mikro stellen und schauen, wie weit du kommst, bevor dir die Puste ausgeht.
    »Thief in the Night« hat eine dramatische, fast die Deadline sprengende Reise zum Mastering hinter sich. Den Titel des Songs hatte ich aus der Bibel, die ohnehin ein paar markante Sätze zu bieten hat. Ich schlage sie öfter mal auf. »Thief in the Night« handelt von einer ganzen Reihe von Frauen, angefangen bei meiner Teenagerzeit. Ich wusste, wo sie wohnte, ich wusste, wo ihr Freund wohnte, und so stand ich andauernd draußen vor einer Doppelhaushälfte in Dartford. Und in dem Stil geht es weiter. Als Nächstes ist Ronnie Spector an der Reihe, dann Patti, und Anita ist auch mit dabei.

    I know where your place is
And it’s not with him.
     
    Like a thief in the night
I’m gonna steal what’s mine.
    Mick sang die Vocals ein, aber er hatte nicht das richtige Gefühl für den Song, er kriegte es nicht gebacken, es klang furchtbar. So konnte Rob den Track unmöglich abmischen. In einer Nachtsession mit Blondie und Bernard versuchte ich dann, die Sache geradezubiegen. Wir konnten uns kaum auf den Beinen halten, geschlafen wurde abwechselnd. Als wir zurückkamen, hatte irgendwer das Band sabotiert. Da waren alle möglichen dunklen Machenschaften im Gange. Schließlich lief es darauf hinaus, dass Rob und ich die Zwei-Zoll-Mastertapes der halbfertigen Mixe von »Thief in the Night« aus den Ocean Way Studios in L. A. schmuggelten und an die Ostküste brachten, weil ich zurück nach Hause wollte, nach Connecticut. Pierre tat dann ein Studio an der Nordküste von Long Island auf, wo wir den Song zwei Tage und zwei Nächte lang nach meinem Geschmack und mit meinem Gesang neu abmischten. In einer dieser Nächte starb Bill Burroughs, und ich würdigte sein Schaffen, indem ich unseren Produzenten und Mittelsmann Don Was mit zornigen Collagen in Burroughs’scher Manier eindeckte: Hör mal, du Ratte, ich sage hier, wo’s langgeht, niemand sonst. Ausschnitte aus reißerischen Schlagzeilen, kopflose Gestalten. Ich machte die Schotten dicht, ich zog in den Krieg. Don hatte mich verärgert. Ich liebe ihn, und die Sache war auch gleich wieder vergessen, aber in diesem Moment musste ich ihm erst mal ein paar schreckliche Botschaften schicken. Gegen Ende einer Platte wird jeder zum Antichrist, der sich dir in den Weg stellt. Da die Deadline nahte, brachten wir die
Bänder mit dem Schnellboot von Port Jefferson, Long Island, nach Westport, einem Hafen an der Küste von Connecticut in der Nähe meines Hauses. So ging es am schnellsten. Die Aktion fand mitternachts

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