Life - Richards, K: Life - Life
schau in deine babyblauen Augen, du schaust in meine beiden schwarzen Hurensöhne, und wenn du’s draußen austragen willst, gerne. Aber lass meine Band in Frieden.« Damit stürmte ich raus, hockte mich vors Lagerfeuer und schrieb an Ort und Stelle »Sparks Will Fly«. Nur wegen diesem Vorfall. Laut Chuch Magee, dem langjährigen Chef unserer Crew, hat sich Jerry nur umgedreht und gesagt: »Tja, also meistens komme ich damit ganz gut durch.« Dabei hatten wir an diesem Abend wirklich unglaubliches Zeug aufgenommen. Ich fühlte mich geehrt, überhaupt mit ihm zu spielen. Ich meine, wir jammten ganz locker: »Jerry, was hast du auf Lager? Okay, spielen wir ›House of Blue Lights‹.« Wahnsinn! Typen wie Jerry und ich müssen sich einander wohl auf eine solche Art und Weise näherkommen, anders geht das manchmal nicht. Seitdem ist er ein guter Kumpel.
Als neuer Vermittler zwischen Mick und mir trat Don Was auf, unser neuer Produzent. Don ließ sich nicht unterkriegen, dafür war er viel zu clever. Seine Mischung aus geschliffener Diplomatie und musikalischem Verständnis machte ihn unangreifbar. Er ist immun gegen Trends. Wenn irgendwas nicht funktioniert, sagt er: »Leute, ich glaube, das funktioniert nicht.« Und das ist die große Ausnahme. Die meisten lassen uns einfach machen, ob es nun funktioniert oder nicht. Oder sie schlagen ganz höflich vor, erst mal mit was anderem fortzufahren; der Song läuft uns ja nicht weg … Dank dieser außergewöhnlichen Qualitäten überlebte Don die nächsten vier Alben inklusive diesem, Voodoo Lounge . Und er überlebte mit Bravour. Im Business wird er als begnadeter Produzent geschätzt. Er hat mit Tausenden hervorragender Musiker gearbeitet, aber vor allem ist er selbst Musiker, und das ist ein großer
Vorteil. Außerdem hatte er bereits Erfahrung mit bandinterner psychologischer Kriegsführung gesammelt, wie Mick und ich sie mit als Erste praktiziert hatten. Don hatte nämlich eine eigene Band mit einem Jugendfreund, Was (Not Was). Die beiden hatten sich kein einziges Mal gestritten - bis der Erfolg kam. Dann sprachen sie erst mal sechs Jahre lang nicht mehr miteinander, und irgendwann waren sie so verbittert, dass alles in die Luft flog. Das kam mir irgendwie bekannt vor. Doch auch in Dons Fall hatten die Band und die Freundschaft überlebt. Don durchschaute die grundlegende DNA aller Bands: Früher oder später werden die beiden Führungspersönlichkeiten der Band aneinandergeraten; es geht gar nicht anders, denn einer der beiden wird zwangsläufig daran verzweifeln, dass er den anderen braucht, um alles aus sich rauszuholen. Dass er ohne den anderen keinen Erfolg hätte und wahrscheinlich ganz in der Versenkung verschwinden würde. Deshalb entwickelt man einen Hass auf diese Person. Bei mir war das anders. Ich wollte diese Abhängigkeit, ich wollte gemeinsam weitermachen.
Am besten beschreibt Don, wie die Dinge standen, als wir in L. A. abmischten:
Don Was: Bei der Arbeit an Voodoo Lounge unterhielten sich Keith und Mick immer etwa dreißig Sekunden lang in aller Höflichkeit über irgendein Fußballspiel, ehe sie sich in entgegengesetzte Ecken des Zimmers verzogen. Dann fingen sie an zu spielen, aber inwieweit sie miteinander interagierten, hing ganz von der Gruppe ab. Währenddessen dachte ich mir die ganze Zeit, na ja, wahrscheinlich rufen sie sich jeden Morgen um fünf Uhr früh an, um das Vorgehen für den nächsten Tag zu besprechen. Aber gegen Ende fand ich heraus, dass sie kein Wort miteinander gesprochen hatten!
Mick meinte, sie hätten nur ein einziges Mal telefoniert, und zwar als Keith im Sunset Marquis die falsche Kurzwahltaste drückte und in dem Haus in den Bergen rauskam, das Mick gemietet hatte. Keith bestellte bei Mick ein bisschen Eis. Er dachte, er wäre beim Zimmerservice gelandet.
Ein Streit, der ziemlich am Anfang im Windmill Lane Studio in Dublin ausbrach, brachte selbst Don aus der Ruhe. Eigentlich hatten Mick und ich einen Waffenstillstand vereinbart, aber dann ging es plötzlich los, aus heiterem Himmel, und Don dachte, jetzt wäre es ganz aus. Woran hatte es gelegen? Ganz einfach an fehlender Kommunikation. Unsere Wut hatte sich immer weiter angestaut. Da kam vieles zusammen, aber meiner Meinung nach lag es vor allem an Micks beschissenem Kontrollzwang, der mir den letzten Nerv raubte. Es fing damit an, dass Ronnie und ich im Studio eintrafen, als Mick gerade ein paar geklaute Riffs auf einer brandneuen Telecaster spielte. Er hockte da
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