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Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
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Einen Jack Daniel’s on the rocks und ein Päckchen. Gimme a Pig Foot and a Bottle of Beer.
     
    2120 South Michigan Avenue, das Hauptquartier von Chess Records, war geheiligter Boden. Die erste Hälfte unserer ersten US-Tour schien geradewegs ein Riesendesaster zu werden, als Andrew Oldham uns in letzter Minute einen Studiotermin bei Chess besorgte. Vielleicht aus Erleichterung, oder weil Leute wie Buddy Guy, Chuck Berry und Willie Dixon in diesem einzigartigen Tonstudio ein- und ausgingen, nahmen wir an dem Entstehungsort all der Musik, die wir uns angehört hatten, in zwei Tagen vierzehn Songs auf. Einer war Bobby Womacks »It’s All Over Now«, unsere erste Nummer eins. Einige Leute, darunter auch Marshall Chess, schwören, ich hätte die folgende Geschichte erfunden, aber Bill Wyman kann sie bestätigen. Als wir ins Chess-Studio kommen, steht da ein Typ in schwarzem Overall auf der Leiter, das Gesicht voll weißer Farbe und streicht die Decke. Es ist Muddy Waters. Marshall Chess behauptet: »Muddy musste nie die Decke streichen.« Aber Marshall war damals noch ein junger Bursche, er hat im Keller gearbeitet. Bill Wyman erinnert sich daran, dass Muddy Waters auch unsere Verstärker vom Auto ins Studio getragen hat. Ob Muddy nun einfach ein netter Kerl war oder damals gerade keine Platten verkaufte, jedenfalls weiß ich, wie die Chess-Brüder gestrickt waren - wenn du willst, dass wir dich weiter bezahlen, dann arbeite.
    Wenn du deine Helden und Idole persönlich kennenlernst, ist das Verrückteste dabei, dass die meisten von ihnen so bescheiden sind und dich unbedingt unterstützen wollen. »Spiel den Lick noch mal«, und dir wird bewusst, da sitzt Muddy Waters neben dir. Später habe ich ihn besser kennengelernt. Im Lauf der Jahre
war ich ein ständiger Gast in seinem Haus. Auf diesen frühen Reisen habe ich, glaube ich, einmal in Howlin’ Wolfs Haus übernachtet, aber da war Muddy Waters auch dabei. Ich in der South Side von Chicago mit diesen beiden Größen. Mitten drin im Familienleben, dauernd kamen und gingen Kinder und Verwandte. Willie Dixon kam ebenfalls vorbei.
    In Amerika erzählten uns Leute wie Bobby Womack immer wieder: »Als wir euch das erste Mal spielen hörten, haben wir gedacht, ihr seid Schwarze. Wo kommen diese motherfucker bloß her?« Ich kann mir selbst keinen Reim darauf machen, warum Mick und ich gerade in dieser Stadt so einen Sound hingekriegt haben - außer dass es vielleicht keinen so großen Unterschied macht, ob man diesen Sound mit der Intensität, wie wir das von morgens bis abends taten, in einer feuchten Mietwohnung in London oder in Chicago aufsaugt. Wir spielten nichts anderes, bis es uns in Fleisch und Blut überging. Wir klangen nicht englisch. Ich glaube, das überraschte uns auch selbst.
    Jedes Mal, wenn wir spielten, drehte ich mich irgendwann um und sagte: »Dieser Lärm, machen wir den ganz alleine?« Manchmal tu ich das heute noch. Es ähnelt dem Ritt auf einem wilden Pferd. In der Beziehung haben wir verdammtes Glück, dass wir Charlie Watts haben. Er hörte sich ziemlich genau wie die Soul-Schlagzeuger oder die schwarzen Schlagzeuger an, die für Sam & Dave und für die Motown-Typen spielten. Er hat dieses besondere Gefühl. Meistens ganz akkurat, die Stöcke zwischen den Fingern, wie heute die meisten Schlagzeuger. Wenn du zu wild draufhaust, kommst du aus dem Takt. Das ist ein bisschen wie Surfen; solange du obenauf bist, ist alles in Ordnung. Charlies Stil ermöglichte auch mir, so zu spielen. In einer Band treibt das eine das andere vorwärts. Alles muss miteinander verschmelzen, im Fluss bleiben.

    Der bizarrste Aspekt bei der ganzen Geschichte war der: Indem wir taten, was wir uns in unseren engstirnigen, puristischen Teenagerhirnen vorgenommen hatten, nämlich den Menschen den Blues nahezubringen, brachten wir den Leuten in Amerika ihre eigene Musik wieder zurück. Das ist wahrscheinlich unser größter Beitrag zur Musik. Wir drehten die weißen Gehirne und Ohren Amerikas um. Ich würde aber nie behaupten, dass wir da die Einzigen waren - ohne die Beatles hätte wahrscheinlich niemand die Mauer eingerissen. Und die waren ganz sicher keine Bluesmänner.
    Die amerikanische schwarze Musik jagte dahin wie ein Expresszug. Die weiße amerikanische Musik - Buddy Holly und Eddie Cochran waren gestorben, und Elvis schwächelte in der Army - bestand bei unserer Ankunft aus den Beach Boys und Bobby Vee. Und die steckten noch in der Vergangenheit fest. Wobei die

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