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Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
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schön geschniegelt, der nette Bursche von nebenan. Und plötzlich fiel hier diese Horde englischer Sackratten ein und spielte Buddy Hollys Song! Verdammt! Ich konnte sie kaum richtig hören, bei den Verstärkern und PA-Anlagen damals, aber Mann, ich konnte es spüren. Ich spürte es bis auf die Knochen, und ich musste lächeln und fing an zu tanzen. Sie hatten nicht die gleichen Klamotten an, sie spielten keine Sets, sie verstießen gegen jede gottverdammte Regel und ließen es krachen. Genau das haute mich um, ich war völlig von den Socken. Als ich am nächsten Tag meinen Mohair-Anzug für den Auftritt rausholte und die Hose anzog, riss ich mit dem Zehennagel vorne die Hosennaht auf. Weil ich keine andere hatte, zog ich zu meinem Hemd und der Krawatte einfach Bermuda-Shorts an und stieg in meine Cowboystiefel. Ich konnte froh sein, dass sie mich nicht feuerten. Ich hörte bloß, »Was soll das … Wie kannst du … Was zum Henker ist los mit dir, Mann?« Von da an änderte sich viel für mich. Die amerikanische Musikszene, diese ganze Chose von wegen Teenager-Idole, geschniegelte Jungs von nebenan und harmlose nette Songs, das alles ging ab durch den Schornstein, als diese Burschen auf der Bildfläche erschienen! Genauso der ganze Pressescheiß: »Würden Sie Ihrer Tochter erlauben …« Dieser ganze Kram. Verbotene Früchte.
    Jedenfalls nahmen sie Notiz von dem, was ich machte, und ich von dem, was sie machten. Da sind wir uns das erste Mal
begegnet, wenn auch nur flüchtig. Das nächste Mal bin ich ihnen in L. A. über den Weg gelaufen, als sie in der T.A.M.I. Show auftraten. Ich erfuhr, dass Keith und ich am selben Tag geboren waren, am 18. Dezember 1943. Er sagte: »Weißt du, was das bedeutet, Bobby? Wir sind halb Mensch, halb Pferd, wir dürfen offiziell auf die Straße scheißen.« Tja, was soll ich sagen, das war mit die coolste Erkenntnis, die mir in meinem ganzen Leben zuteilwurde!
    Das Herz und die Seele der Band sind Keith und Charlie. Wer einen Hauch Leben oder einen Funken Musikalität im Leib hat, erkennt das sofort. Das ist der Maschinenraum. Ich selber bin kein geschulter Musiker. Ich kann keine Noten lesen, ich hatte nie eine professionelle Ausbildung. Aber ich habe Gespür, und als ich Keith Gitarre spielen hörte, erinnerte mich das sofort an die Energie, die ich bei Buddy und bei Elvis gespürt hatte. Das war der echte Stoff. Auch wenn er Chuck Berry spielte. Und mir waren in Lubbock bereits ein paar ziemlich gute Gitarristen zu Ohren gekommen. Orbison kam aus Vernon, das ganz in der Nähe lag. Ich hatte ihn und Buddy in der Eishalle gehört. Außerdem Scotty Moore und Elvis Presley, wenn sie bei uns Station machten. Ein paar gute Gitarristen kannte ich also schon. Keith hatte etwas, das mich sofort an Buddy Holly erinnerte. Sie waren ungefähr gleich groß. Buddy war ein dürrer Bursche mit schlechten Zähnen. Keith sah völlig fertig aus. Aber manche Leute, die haben einfach den gewissen Blick. Und Keiths Blick war gefährlich, das ist die Wahrheit.
    Eine nüchterne Tatsache, die wir über Amerika herausfanden: Es war zivilisiert an den Rändern, aber wenn man sich fünfzig Meilen von einer größeren Stadt ins Landesinnere wagte, egal ob von New
York, Chicago, L. A. oder Washington, betrat man eine andere Welt. In Nebraska und ähnlichen Gegenden waren Sprüche wie »Hallo, Mädels« an der Tagesordnung. Wir achteten gar nicht mehr darauf. Gleichzeitig fühlten sich die Männer von uns bedroht, weil ihre Frauen uns musterten und uns interessant fanden. Wir waren anders als die Typen, die ihnen jeden Tag begegneten, wir sahen nicht aus wie ihre Bier saufenden Rednecks. Die Sprüche waren beleidigend, der tatsächliche Impuls dahinter war aber in Wahrheit ein sehr defensiver. Wenn wir irgendwo auf einen Pfannkuchen, ein paar Eier mit Schinken oder eine Tasse Kaffee gingen, mussten wir grundsätzlich auf Sticheleien gefasst sein. Wir machten nur Musik, aber wir merkten auch, dass wir Zeuge einiger höchst interessanter gesellschaftlicher Konflikte wurden. Und, so kam es mir vor, von jeder Menge Unsicherheit. Amerikaner seien laut und selbstbewusst, hatte man uns erzählt. Schwachsinn. Alles Fassade. Besonders die Männer, und besonders in jener Zeit, wussten nicht recht, was vor sich ging. Alles passierte so schnell. Mich wundert es gar nicht, dass ein paar von den Jungs schlicht auf dem Schlauch standen.
    Die einzigen regelmäßigen Feindseligkeiten, an die ich mich erinnere, kamen von

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