Life - Richards, K: Life - Life
Weißen. Schwarze und Musiker glaubten zumindest, dass wir auf eine gewisse Weise skurril seien. Mit denen konnten wir reden. Weit schwieriger war es, zu den Weißen durchzudringen. Wir hatten immer den Eindruck, als hielten sie uns für eine Bedrohung. Dabei hatten wir nur gefragt: »Darf ich mal die Toilette benutzen?« - »Für Jungen oder Mädchen?« Wie sollte man darauf reagieren? Den Schwanz rausholen?
Zu Hause in England hatten wir ein Nummer-eins-Album, aber im ländlichen Amerika hatten sie noch nie von uns gehört. Da wussten sie mehr von den Dave Clark Five oder den Swinging Blue Jeans. In manchen Städten schlug uns blanker Hass entgegen, da
stierten uns Killeraugen an. Manchmal hatten wir das Gefühl, als würde man an uns gleich ein Exempel statuieren, sofort, auf der Stelle. Dann blieb uns nur der schnelle Rückzug in die Sicherheit unseres Kombis, zu unserem Road-Manager Bob Bonis. Ein großartiger Bursche, der schon mit Liliputanern, dressierten Affen und den besten Künstlern aller Zeiten auf Tour gewesen war. Er führte uns behutsam in Amerika ein, am Steuer unseres Wagens, fünfhundert Meilen am Tag.
Bei einem Großteil unserer Gigs’64 und’65 sprangen wir huckepack bei Tourneen auf, die schon vorher zusammengestellt worden waren. Zum Beispiel waren wir zwei Wochen lang mit Patti LaBelle & the Bluebelles, den Vibrations und einem Schlangenmenschen namens Amazing Rubber Man unterwegs. Und dann wechselten wir zu einer anderen Tournee. Das erste Mal, dass ich jemanden auf der Bühne zum Playback singen sah, war bei den Shangri-Las, »Remember (Walkin’ in the Sand)«. Drei Mädchen aus New York, sehr ansehnlich und alles, und plötzlich fiel dir auf, dass da gar keine Musiker waren, dass die zu einem Tonband sangen.
Dann gab es da noch die Green Men, auch aus Ohio, glaube ich, die malten sich tatsächlich grün an, bevor sie auf die Bühne gingen. Was eben gerade diese Woche oder diesen Monat angesagt war. Manche waren verdammt gute Musiker, besonders im Mittelwesten und im Südwesten. All diese kleinen Bands spielten jeden Abend in Bars, würden nie den Durchbruch schaffen und - das war das Schöne daran - wollten es auch gar nicht. Viele waren verdammt gute Gitarristen. Massenweise Talente da draußen. Typen, die viel besser spielen konnten als ich. Manchmal waren wir die Hauptattraktion, nicht immer, aber oft. Bei Patti LaBelle & the Bluebelles sang die junge Sarah Dash, die immer eine Aufpasserin an ihrer Seite hatte, eine Frau im Sonntagsstaat, als wollte sie gerade
in die Kirche. Für ein Lächeln erntete man einen wütenden Blick. Sarah wurde »Inch« genannt, sie war reizend und klein. Zwanzig Jahre später wird sie in meiner Geschichte wieder auftauchen.
Anfang 1965 fing ich an, Drogen zu nehmen, eine inzwischen lebenslange Angewohnheit, die meine Wahrnehmungsfähigkeit verstärkte. Anfangs rauchte ich nur Dope. Für mich waren die Mitglieder der schwarzen Bands, mit denen wir unterwegs waren, ältere Männer, in ihren Dreißigern, manche schon über vierzig. Die tauchten abends zu den Gigs in ihren Sharkskin-Anzügen mit Weste auf, mit Kettchen und gegelten Haaren, rasiert und geschniegelt, frisch und cool, während wir unsere übernächtigten Ärsche gerade noch auf die Bühne schleppen konnten. Eines Tages kam ich völlig fertig zum Gig, während diese Typen, die das gleiche Arbeitspensum wie wir zu absolvieren hatten, topfit auf ihren Auftritt warteten. Also fragte ich einen von ihnen, einen Bläser: »Wie schafft ihr das bloß, dass ihr jeden Tag so gut drauf seid?« Er machte die Jacke auf und griff in die Tasche seiner Weste. »Du nimmst eine von denen, und dann rauchst du das hier.« Ein göttlicher Tipp. Er gab mir eine kleine weiße Pille - Speed - und einen Joint. So läuft das: Du nimmst eine von denen, und dann rauchst du das hier.
Aber kein Wort zu irgendwem! Mit diesen Worten im Kopf verließ ich den Raum. Jetzt weißt du Bescheid, kein Wort zu irgendwem. Ich kam mir vor, als hätte man mich in eine Geheimgesellschaft aufgenommen. Ist es in Ordnung, wenn ich den anderen Jungs davon erzähle? Klar, aber behaltet es für euch. Backstage lief das schon seit Urzeiten so. Ich liebte meine Joints. Ich liebte sie so sehr, dass ich meist vergaß, das Benzedrin zu schlucken. Dabei gab es in jenen Tagen gutes Speed. Der Stoff war rein. Man bekam ihn in jeder Fernfahrerkneipe, die Fahrer konnten gar nicht ohne. Fahr
bei der und der Fernfahrerkneipe raus und frag nach Dave.
Weitere Kostenlose Bücher