Life - Richards, K: Life - Life
von den Bands die Platte putzten. Viele von denen wurden wegen irgendwas gesucht. Wahrscheinlich nur wegen kleinerer Delikte, Rückstand bei den Alimenten oder Autodiebstahl, so was. Das waren alles keine Heiligen, mit denen wir zusammenarbeiteten. Aber gute Musiker, die einen Gig an Land zogen und dann in der Schar der Bänkelsänger untertauchten. Smarte Bastarde, mit allen Wassern gewaschen. Plötzlich erschien eine Polizeistaffel im Backstage-Bereich mit einem Haftbefehl für jemanden, der in irgendeiner Band Gitarre spielte. Die fielen ein wie Zwangsrekrutierer von der Army. O mein Gott! Panik … Und als Nächstes sah man, wie Ike Turners Klavierspieler die Treppe runtersauste.
Zum Ende unserer ersten Amerika-Tour glaubten wir, wir hätten es verbockt. Man hatte uns als fahrende Zirkustruppe und langhaarige Freak-Show-Missgeburten abgestempelt. Erst als wir in der Carnegie Hall in New York spielten, fühlten wir uns plötzlich wieder wie in England mit seinen kreischenden Teenie-Fans. Amerika kam ganz allmählich auf den Trichter. Wir spürten, dass es gerade erst anfing.
Mick und ich hatten’64 nicht den ganzen langen Weg nach New York auf uns genommen, um dann auf einen Besuch des Apollo zu verzichten. Also rief ich Ronnie Bennett an; in einem roten Cadillac wollten wir mit den Ronettes in den Jones Beach State Park fahren. Die Rezeption rief in unserem Zimmer an: »Hier unten wartet eine Lady auf sie.« - »Also, auf geht’s.« Im Apollo trat in
jener Woche James Brown auf. Aber vielleicht sollte ich besser Ronnie erzählen lassen, was wir - im Gegensatz zur allgemeinen Meinung - für nette englische Jungs waren:
Ronnie Spector: Als Keith und Mick zum ersten Mal in Amerika waren, waren sie noch nicht so erfolgreich und schliefen bei meiner Mutter in Spanish Harlem auf dem Wohnzimmerboden. Sie hatten kein Geld, und wenn meine Mutter ihnen morgens Eier mit Speck machte, sagte Keith immer: »Vielen Dank, Mrs. Bennett.« Und dann nahm ich sie mit zu James Brown ins Apollo: ein Schlüsselerlebnis, das sie schwer beeindruckte und anspornte. Die Jungs flogen wieder nach Hause und kamen als Superstars zurück. Ich hatte ihnen gezeigt, wie ich aufgewachsen und mit elf ins Apollo Theatre gegangen war. Ich ging mit ihnen hinter die Bühne, wo sie dann alle Rhythm-and-Blues-Stars trafen. Ich weiß noch, wie Mick zitterte, als wir an James Browns Garderobentür vorbeigingen.
Das erste Mal fühlte ich mich wie im Himmel, als ich aufwachte und neben mir lag die im Schlaf lächelnde Ronnie Bennett (später Spector). Wir waren quasi noch Kinder. Besser würde es nicht mehr werden. Höchstens etwas kultivierter. Was soll ich sagen? Sie nahm mich mit auf ihr Zimmer, im Haus ihrer Eltern. Später noch öfter, aber das war das erste Mal. Und dabei war ich doch bloß ein Gitarrist. Wenn ihr wisst, was ich meine.
James Brown spielte die ganze Woche im Apollo. Was ist, gehen wir ins Apollo und schauen uns James Brown an? O Mann! Ich meine, wer würde da Nein sagen? Er war umwerfend. Genau auf den Punkt. Und wir hatten gedacht, die Stones wären eine tighte Band … Die Disziplin in seiner Truppe beeindruckte mich mehr als alles andere. Wenn er glaubte, dass einer einen Einsatz verpasst
oder eine falsche Note gespielt hatte, schnippte James mit den Fingern, und die Miene des Delinquenten verdüsterte sich. Die Leute aus seiner Band achteten immer auf seine Hände, denn damit signalisierte er, wie viel Strafe es setzte. Sogar Maceo Parker, der Saxofonist und die zentrale Figur in James Browns Band - mit dem ich später bei den Winos zusammenspielte - bekam an jenem Abend etwa fünfzig Dollar Strafe aufgebrummt. Die Show war sensationell. Mick schaute immer auf James’ Füße. An dem Abend passte Mick ganz besonders gut auf - gefesselt von diesem tanzenden Leadsänger, der bestimmte, wo es langging.
Backstage wollte James vor diesen Jungs aus England so richtig auf den Putz hauen. Er schickte einen von den Famous Flames los, damit er ihm einen Hamburger holte, einen anderen ließ er seine Schuhe wienern. Er demütigte seine eigene Band. Für mich waren das in erster Linie die Famous Flames, und James Brown war eben ihr Leadsänger. Aber Mick faszinierte es, wie er seine Lakaien herumkommandierte, seine Boydguards, ja sogar die eigene Band.
Nach unserer Rückkehr nach England änderte sich etwas fundamental: Alte Freunde, meistens Musiker, die schon vorher über unsere Entwicklung als Rolling Stones erstaunt gewesen
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