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Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
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Vergangenheit circa sechs Monate her war. Keine lange Zeit, doch das Rad drehte sich rasend schnell. Den Wendepunkt markierten die Beatles. Und die saßen jetzt in ihrem eigenen Käfig. »The Fab Four«. Also bekam man schließlich die Monkees vorgesetzt, den ganzen Plastikscheiß. Zu jener Zeit gab es einfach ein Vakuum in der amerikanischen Musik.
    Als wir das erste Mal nach Amerika und nach L. A. kamen, liefen dauernd die Beach Boys im Radio. Was wir - das war noch vor Pet Sounds - ziemlich lustig fanden: Hot-Rod-Songs, Surf Music, meist lausig gespielt, mit vielen vertrauten Chuck-Berry-Licks. »Round, round, get around / I get around.« Ich fand das fantastisch. Später kam dann Pet Sounds , na ja, für meinen Geschmack etwas überproduziert, aber Brian Wilson hatte was. »In My Room«, »Don’t Worry Baby«. Mich interessierten mehr die B-Seiten, die er reingeschmuggelt hatte. Es gab keinen speziellen Zusammenhang zu dem, was wir machten, also konnte ich mir das einfach anhören,
auf einer anderen Ebene. Diese Songs waren brillant komponiert und arrangiert. Ich hatte keine Probleme mit dem Popsong-Idiom. Ich hatte mir schon immer alles angehört, und Amerika breitete alles vor mir aus - wir hörten dort Songs, die regionale Hits waren. Wir lernten lokale Labels und lokale Künstler kennen, und so stießen wir in L. A. auch auf »Time Is on My Side«, gesungen von Irma Thomas. Das war die B-Seite einer Platte auf Imperial Records, ein Label, auf das wir aufmerksam geworden waren, weil es eine erfolgreiche unabhängige Plattenfirma mit Sitz auf dem Sunset Strip war.
    Seit damals habe ich mich öfter mit Leuten wie Joe Walsh von den Eagles und vielen anderen weißen Musikern darüber unterhalten, was sie in ihrer Teenagerzeit gehört haben, und das war durch die Bank weg provinziell und limitiert, je nachdem, welche lokalen - gewöhnlich weißen - UKW-Radiostationen sie empfangen konnten. Bobby Keys behauptet, dass er am Musikgeschmack einer Person ablesen kann, woher sie kommt. Joe Walsh machte Bekanntschaft mit unserer Musik, als er auf die Highschool ging. Er erzählte mir, dass sie schon allein deshalb einen starken Eindruck auf ihn machte, weil er niemanden kannte, der jemals so was gehört hatte - weil es das schlichtweg nirgendwo zu hören gab. Er hörte Doo-Wop, und das war’s auch schon. Muddy Waters war ihm kein Begriff. Verblüffenderweise war er, so Joe, zum ersten Mal mit dem Blues in Kontakt gekommen, als er uns hörte. Damals beschloss er, dass es für ihn nur eins gab, das Leben eines Musikers. Und heute kann man in kein Diner gehen, ohne dass irgendwann »Hotel California« gespielt wird.
    Der Südstaatenjunge Jim Dickinson, der auf »Wild Horses« das Klavier bearbeitet, lernte in seiner Jugend die schwarze Musik durch die einflussreiche und einzige schwarze Radiostation, WDIA, in Memphis kennen. Als er später aufs College nach Texas
ging, verfügte er schon über eine umfangreichere musikalische Bildung als alle, die er dort traf. Aber obwohl er in Memphis lebte, kriegte er nie einen schwarzen Musiker zu Gesicht - außer ein einziges Mal: Mit neun Jahren sah er einmal die auf der Straße aufspielende Memphis Jug Band mit Will Shade und Good Kid am Waschbrett. Die Rassenschranken waren so mächtig, dass er mit solchen Musikern nie in Berührung kam. Im Zuge des Folk Revivals wurden Bukka White, Furry Lewis - auf dessen Beerdigung Jim spielte - und viele andere bekannt. Ich glaube, dass die Stones ihren Beitrag dazu leisteten, die Leute zum Umdenken zu bewegen.
    Als wir »Little Red Rooster« veröffentlichten, einen rohen Willie-Dixon-Blues mit Slide-Gitarre, war das zu jener Zeit, im November 1964, ein gewagtes Unterfangen. Die Plattenfirma, unser Management, alle waren strikt dagegen. Aber wir fühlten uns, als ritten wir auf dem Kamm einer Welle, und versuchten alles auszureizen. Wir empfanden das fast wie eine Kriegserklärung an die Popmusik. Wir wollten ein Statement abgeben, damals waren wir so arrogant. »I’m the little red rooster / Too lazy to crow for day.« Wollen doch mal sehen, ihr motherfucker, ob wir so ein Ding an die Spitze der Hitparade hieven können. Einen Song über ein Huhn. Mick und ich warfen uns in die Brust und sagten, also los, wir pushen das jetzt. Das ist der Stoff, der uns wichtig ist. Und danach öffneten sich tatsächlich die Schleusen, plötzlich bekamen Muddy, Howlin’ Wolf und Buddy Guy Gigs angeboten und konnten wieder arbeiten. Die Platte schaffte es

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