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Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
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auf dich geschossen wird, denkst du dir: »Ich hab’s! Das ist die Bridge!« Ob man will oder nicht, es passiert einfach. Man merkt es kaum, es läuft unterbewusst oder unbewusst oder was auch immer. Du hast keine Ahnung, aber dein Radar schläft nie. Von der anderen Seite des Raums weht ein Gesprächsfetzen herüber, »I just can’t stand you anymore« … und es ist ein Song. Es ergibt sich einfach. Wenn man ein Songwriter sein will, sprich, wenn man kapiert hat, dass man einer ist, muss man ein guter Beobachter sein. Man braucht Munition, also geht man auf Abstand zur Umwelt. Man ist ständig in Alarmbereitschaft. Menschen beobachten, ihren Umgang miteinander, das ist eine Fähigkeit, die man über Jahre trainiert, auch wenn man dabei irgendwann merkwürdig distanziert wirkt. Eigentlich kein gutes Benehmen. Ein Songwriter hat gewisse Ähnlichkeit mit einem Spanner - man schaut sich um und sieht nur noch potenzielle Songideen. Jedes Mal setzen sich die banalsten Aussprüche durch, und man sagt sich, kaum zu glauben, dass sich das noch keiner
unter den Nagel gerissen hat. Glücklicherweise gibt es mehr potenzielle Songzeilen als Songwriter.
     
    Linda Keith war die erste Frau, die mir das Herz gebrochen hat. Ich hatte es darauf angelegt, und so kam es dann auch. The first look was the deepest. Schon bei unserer ersten Begegnung war es passiert, als ich sie von der anderen Seite des Raums aus beobachtete, ihre Bewegungen, ihre Spielchen. Sofort hatte mich die Sehnsucht am Wickel, und gleichzeitig dachte ich mir: Die ist eine Nummer zu groß für dich. Manchmal, besonders am Anfang, konnte ich mich nur wundern, was für Frauen sich da mit mir einließen - die Schönsten der Schönen, während ich eher aus der Gosse kam. Unfassbar, dass diese Grazien Hallo sagten und sogar mit mir ins Bett gehen wollten! Linda lernte ich auf einer Party kennen, die Andrew Oldham zur Veröffentlichung einer längst vergessenen Jagger-Richards-Single geschmissen hatte; die Beatles tauchten allerdings gar nicht auf. Bei derselben Gelegenheit begegneten sich übrigens Mick und Marianne Faithfull. Linda war siebzehn Jahre alt, umwerfend schön, dunkles Haar, der perfekte Sixties-Look. Eine Erscheinung in Jeans und weißem Shirt. Sehr selbstbewusst. Sie tauchte in den Illustrierten auf, als Model, abgelichtet von David Bailey. Aber das war ihr gar nicht so wichtig. Sie wollte einfach irgendwas anstellen, und vor allem: weg von zu Hause.
    Anfangs staunte ich am meisten darüber, dass sie tatsächlich mit mir mitkommen wollte. Wieder mal war es das Mädchen, das die Initiative ergriff. Sie hat mich flachgelegt, nicht andersrum. Sie war wild entschlossen. Und ich absolut und unwiderruflich verliebt. Wir verliebten uns beide. Und dann die nächste Überraschung: Ich war ihre erste Liebe, der erste Junge, der es ihr wirklich angetan hatte. Alle möglichen Typen hatten sie umworben, und sie hatte alle abgewiesen. Das will mir immer noch nicht in den Kopf. Linda
war die beste Freundin von Andrews damaliger Beinahefrau Sheila Klein. Diese hübschen Jüdinnen hatten erheblichen Einfluss auf die kulturelle Boheme von West Hampstead, das mit der Zeit zu meinem und, für ein paar Jahre, auch zu Micks Revier wurde. Alles drehte sich um die Broadhurst Gardens in West Hampstead in der Nähe von Decca Records und um ein paar Läden in der Gegend, in denen wir auftraten. Lindas Vater Alan Keith moderierte das BBC-Radioprogramm Your Hundred Best Tunes - insgesamt vierundvierzig Jahre lang. In ihrer Kindheit hatte sie viele Freiheiten genossen. Sie liebte Musik, vor allem Jazz und Blues; in Sachen Blues war sie sogar eine richtige Puristin. Die Stones konnte sie daher kaum gutheißen, und sie hat ihre Meinung nie geändert, wahrscheinlich bis heute. Schon in ganz jungen Jahren, als sie noch barfuß durch London streifte, frequentierte sie einen schwarzen Club namens Roaring Twenties.
    Die Stones traten jeden Abend auf, wir waren ununterbrochen auf Tour. Trotzdem waren Linda und ich eine Zeit lang zusammen. Zuerst wohnten wir in der Mapesbury Road, dann zusammen mit Mick und seiner Freundin Chrissie Shrimpton in Holly Hill, und schließlich zu zweit in meiner Wohnung in Carlton Hill, St. John’s Wood. Wir kamen nie dazu, die Zimmer einzurichten, alles stapelte sich an den Wänden, die Matratze lag auf dem Boden, dazu lauter Gitarren und ein Klavier. Davon abgesehen lebten wir fast wie gewöhnliche Eheleute. Wir fuhren auch zusammen U-Bahn, bis ich ihr einen

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