Life - Richards, K: Life - Life
Cadillac wollte, auch. Einmal rief ich ihn an, weil ich 80 000 Pfund brauchte - ich wollte mir ein Haus am Chelsea Enbankment kaufen, gleich neben Mick, damit wir von Tür zu Tür laufen und Songs schreiben konnten. Am nächsten Tag war das Geld da. Ohne dass man eine Ahnung gehabt hätte, was da genau abging. Heute kommt man damit natürlich nicht mehr durch, mit so einer patriarchalischen Form des Managements, aber bei uns klappte das noch. Heutzutage wird jedes beschissene Plektrum offiziell eingekauft und verbucht, das ist ein ganz anderes Denken. Das damals, das war Rock’n’Roll.
Besonders in den Staaten machte sich Klein prächtig. Zumindest am Anfang. Die nächste Tournee, die er managte, fiel gleich mehrere Nummern größer aus. Ein Privatjet für uns, riesige Werbetafeln auf dem Sunset Boulevard. So hatte ich mir das vorgestellt.
Auf einen Hit muss der nächste folgen, und zwar schnell, sonst ist der Absturz vorprogrammiert. Alle Welt erwartete, dass wir die Dinger am laufenden Band ablieferten. Eben noch stand »Satisfaction« rund um den Globus an der Spitze der Charts, Mick und ich schauten uns an: »Klasse, was?«, und im nächsten Moment donnerte es an die Tür, peng peng peng : »Wo ist der nächste Song? In vier Wochen muss er raus sein!« Dabei waren wir noch auf Tour und spielten zwei Shows pro Tag. Alle zwei Monate musste eine neue Single her, man musste immer eine im Köcher haben. Und dazu einen neuen Sound. Nach »Satisfaction« noch einmal mit einem Fuzz-Riff anzukommen, wäre unser Todesurteil gewesen. Das Gesetz der sinkenden Verkäufe, eine Klippe, an der schon so manche Band gescheitert ist. Die Plattenfirmen ließen nicht locker, und wir reagierten mit »Get Off of My Cloud« - lasst mich in Ruhe! Ein Gegenangriff aus einer anderen Richtung, und wieder funktionierte es.
Wir wurden zu einer regelrechten Songfabrik, wir fingen an, wie Songwriter zu denken. Einmal angewöhnt, wird man es nie mehr los. Es läuft immer mit, im Unterbewusstsein, man hört auf einmal ganz anders hin. Unsere Texte nahmen eine gewisse Schärfe an - man könnte auch sagen, sie entsprachen langsam dem Image, das auf uns projiziert wurde. Zynisch, böse, skeptisch, dreist. In dieser Hinsicht waren wir unserer Zeit offensichtlich voraus. Es brodelte in den USA, reihenweise wurden junge Amerikaner einberufen und nach Vietnam geschickt. Deshalb ist »Satisfaction« auch in Apocalypse Now zu hören - diese Wahnsinnigen hatten uns schlichtweg im Gepäck. Der Text, die ganze Stimmung passte
zur Gemütslage der Kids. Das erwachsene Amerika hatte sie enttäuscht, und eine Zeit lang schienen wir das einzige Ventil zu sein, der einzige Soundtrack zur rumorenden Rebellion. Wir hatten den Nerv der Zeit getroffen. Nicht als Erste, das würde ich nicht behaupten, aber die Ausdrucksform des Aufstands war stark englisch geprägt, und das lag an unseren Songs. Die wiederum stark amerikanisch beeinflusst waren. Wir verarschten sie in guter alter englischer Tradition.
Diese Welle von Songideen und Studiosessions kulminierte im Album Aftermath . Wenn man so will, hatten viele dieser Songs Anti-Mädchen-Texte. Bei den Titeln war es dasselbe: »Stupid Girl«, »Under My Thumb«, »Out of Time«, »That Girl Belongs to Yesterday«. Oder »Yesterday’s Papers«:
Who wants yesterday’s girl? …
Nobody in the world.
Vielleicht wollten wir sie ein bisschen aufstacheln. Und vielleicht gingen ihnen manche dieser Songs tatsächlich ans Herz, oder auch ins Hirn, so dass sie begriffen: Wir sind Frauen, und wir sind stark. Meiner Meinung nach waren es insbesondere die Beatles und die Stones, die die Mädchen von ihrem »Ich bin so klein und schwach«-Denken befreiten. Nicht mit Absicht oder so - das kam ganz automatisch rüber, wenn wir vor ihnen auf der Bühne standen. Spätestens wenn sich dreitausend Mädchen die Höschen runterreißen und dich damit bombardieren, kapierst du, was für eine unvergleichliche Kraft du von der Leine gelassen hast. Bei einer Rock’n’Roll-Show taten sie all das, was ihnen zu Hause verboten worden war.
Einige der Songs entstanden auch aus unserem persönlichen Frust. Du gehst auf Tour, kommst einen Monat später zurück, und prompt hat sie einen anderen. Blöde Kuh. Klar, es ist ein Geben
und Nehmen. Mir ist schon bewusst, dass der Vergleich zwischen den Mädchen daheim und den Mädchen auf Tournee nicht ganz fair war. Mit denen konntest du Zeit verbringen, ohne dass gleich große Ansprüche gestellt
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