Lila Black 01 - Willkommen in Otopia
sich um Objekte, wirbelten und strudelten dahin, sammelten sich. Manchmal bildeten sie etwas Gliedmaßenartiges aus und huschten wie Fische dahin, manchmal lösten sie sich in Luft auf oder fielen als Schauer herab. Sie waren überall. Und dann blickte sie zu Dar hinüber und sah ihn von einem blau-fliederfarben-smaragdgrünen Strahlen umgeben, das eindeutig von derselben Beschaffenheit war – sein Andalun- Leib. Er reichte mehrere Armlängen über Dars Körper hinaus. Sie erkannte, dass Dar ihn weit ausdehnte, und dass er ihm half, sich auf diesem Terrain zurechtzufinden. Dar machte jetzt Halt und drehte sich um, weil er wissen wollte, warum sie diesmal stehen geblieben war, und als er sie zu lokalisieren versuchte, kam ein indigoblauer Strahl pfeilschnell auf sie zugeschossen. Er glitt über ihren Rumpf, so leicht, dass sie nichts spürte, und im selben Moment richtete sich Dars Blick auf sie.
»Wahnsinn«, sagte sie leise zu sich selbst. Sie hatte nicht geahnt, dass sie magische Energie sehen konnte, indem sie einfach nur die Sensibilität ihres Gesichtssinns auf andere Spektralbereiche verlagerte. Der wilde Äther folgte Dars Interesse, konzentrierte sich um den feinen Faden seines Blicks. Allmählich verstand sie, wie er sich an Objekten festmachte. Als Dar auf sie zukam, schleppte er große Ätherfahnen hinter sich her. Wo sie ihn berührten, nahmen sie für einen Moment die Farbe seines Andalun an, ehe sie sich sachte davonkräuselten.
»Ich kann es sehen«, sagte sie. »In der elektromagnetischen Wiedergabe. Ich kann Äther sehen. Glaube ich.«
»Ich …«
»Warten Sie«, sagte sie. »Da hängt eine ganze Menge an Ihnen dran.«
»Ich weiß«, flüsterte er. »Wir dürfen nicht reden. Der sichere Unterschlupf ist nicht weit von hier.«
Lila lächelte. »Ich kann Sie sehen.« Ein Klümpchen von funkelndem Pink schien von ihr auf ihn zuzuschnellen und vor seinem Gesicht zu verharren, als ob es auf eine Antwort wartete. »Hey, haben Sie das bemerkt?«
Dar schüttelte den Kopf und ging weiter, ohne sich noch einmal umzublicken.
Lila ignorierte seinen Unmut und wanderte mit neuer Leichtigkeit weiter. Das war so unglaublich, es war – sie sagte das nicht gern, wo sie doch eine Top-Spionin in einer wichtigen Mission war –, aber es war so cool! Doch dann gingen ihr andere Dinge durch den Kopf. Die Menschen mussten das doch gewusst haben – bestimmt hatte das doch schon mal jemand getestet? Seit Jahren rückte man dem Äther mit wissenschaftlichen Methoden zuleibe, und es waren Fortschritte erzielt worden. Aber niemand hatte es für nötig befunden, ihr etwas davon zu sagen? Sie versuchte augenblicklich, Dr. Williams anzurufen, um sich zu beschweren, aber hier gab es ja keine Kommunikationsverbindungen. Allmählich ging ihr die Stille auf die Nerven.
Sie stellte fest, dass Bäume und einzelne Bodenstellen ihre eigene magische Signatur hatten, und dass manche Pflanzen fast so aktiv mit der magischen Energie interagierten wie Dar – dass sie eindeutig magische Eigenschaften hatten. Sie fand einen Pilz, der gelbe Dämpfe ausdünstete. Sie erkannte versteckte Tierbaue an den zartgrünen Miasmen, die sie umgaben. Es war ein wunderbares Erlebnis, so unerwartet. Sie blickte kein einziges Mal zurück, bis Dar sie einen steilen, tückischen Pfad hinaufführte, zu einer verborgenen Tür in einem Felsen. Sie sah, dass die Tür zu einem unterirdischen Schutzraum führte, der oberhalb der Baumgrenze im Berg lag. Als sie sich unter dem uralten Türsturz hindurchduckte und sich umdrehte, um die Tür zuzuziehen, blickte sie noch einmal zum Wald hinab.
Die hübschen Farbschleier des Äthers erstreckten sich bis in den Himmel über den Bäumen und dem freien Gelände. Im spärlichen Mondlicht war Alfheim genauso schön wie bei Tag, aber ihr Interesse an dieser Schönheit erlosch jäh, als sie scharf umrissene Silhouetten rasch den Pfad entlanghuschen sah, den Dar und sie entlanggekommen waren. Es waren Vierbeiner, schlank, mit langen, peitschenartigen Schwänzen und seltsam wuchtigen Köpfen, die wie Axtblätter geformt waren und in den Strömen von wilder Magie hin und her pendelten. Die Wesen hatten weder Augen noch Ohren. Sie folgten den Spuren mit der Unbeirrbarkeit jagender Raubtiere, zogen dabei einen Schweif von Dunkelheit hinter sich her, die vorübergehend sogar die hellsten Baumstämme auslöschte. Lila hatte das deutliche Gefühl, dass der Äther durch sie gefiltert wurde, dass sie sich durch ihn
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