Lila Black 01 - Willkommen in Otopia
blau, als er noch einer von uns war.«
»Wie meinen Sie das?«
»Er war ein Jayon-Daga-Agent, unser Captain Kurtz.« Dar drehte sich zur Wand. Seine Stimme klang wehmütig. »Sie kennen doch die Geschichte. Der Kolonialoffizier, der zu den Eingeborenen überlief. Aber so war er nicht immer. Oder doch, er war immer schon so, konnte es aber nicht erkennen, ehe er nach Dämonia kam.«
Lila meinte, persönliche Betroffenheit herauszuhören. Sie hakte schnell nach. »Sie kennen ihn also doch?«
»Nicht wirklich«, seufzte der Elf matt und holte dann tief Luft für eine längere Erklärung. »Zal gehört einer höheren Kaste und einer anderen Rasse an als ich. Das mag Ihnen vielleicht unbedeutend, sogar unerkennbar scheinen, aber in Alfheim ist so etwas sehr wichtig. Zal ist … war Angehöriger der Taliesetra-Kaste aus der alten Blutlinie der Lichtkönige, der Kaste, die in der engsten Verbindung mit dem Elementar-Chi steht. Nur die Vialin-Kaste der Dunkelelfen ist ätherisch noch mächtiger, aber das sind schwierige Wesen, keine richtigen Elfen. Ich hingegen bin ein Dusisanne vom Schatten, und wir sind nicht königlicher Abstammung, kein Hochadel, ja nicht einmal niederer Adel. Die Kasten sind eine spirituelle und magische Hierarchie, Details sind jetzt unwichtig. Es geht darum, dass zwischen Zal und mir nie wirklich jener vertraute Umgang herrschen könnte, der Freundschaft ausmacht, nicht einmal, wenn wir in derselben Mission ausgeschickt würden, was natürlich nie geschehen würde.« Jetzt lag in seiner Stimme ein Verdruss, den er vor Müdigkeit nicht mehr zu verbergen vermochte, falls er es überhaupt wollte.
»Was meinen Sie mit nie wirklich?«, fragte Lila gähnend nach.
»Ich bin Zal nach Dämonia gefolgt«, erklärte Dar zögernd und sagte dann so abrupt, als hätte er es eigentlich nicht preisgeben wollen: »Und ich habe es nicht geschafft, seinen moralischen Absturz zu verhindern.«
»Seinen moralischen Absturz?«
»Unter Kastengesichtspunkten hätte ich mein Leben dafür geben müssen zu verhindern, was dann geschah«, sagte Dar. »Aber wir haben dort miteinander geredet, in der Stadt Batshebat, lange und ausführlich, und ich habe ihn in Ruhe gelassen und bin zurückgekehrt. Es wäre meine Pflicht gewesen, ihn zu töten, und meine Heimkehr war alles andere als angenehm. Ich will nicht weiter darüber reden. Lassen Sie mich schlafen.«
»Klar«, sagte Lila widerwillig. Aber dann dachte sie noch einmal nach und befand, dass Dar vielleicht nie wieder einen so offenen Moment haben würde, ja, dass sie vielleicht gar nicht mehr dazu kommen würde, ihn irgendetwas zu fragen, wenn sie angegriffen würden. »Ich glaube, ich muss doch noch auf ein paar Antworten bestehen«, sagte sie. »Aber ich entschuldige mich im Voraus.«
Der Elf stöhnte. »Ich würde glauben, wir sind in ein Spiel verstrickt, wenn ich nicht wüsste, dass wir es nicht sind«, sagte er. »Seit wir unsere Lebensenergie geteilt haben, fällt es mir immer schwerer, nicht offen zu Ihnen zu sein. Und da ist noch etwas: Ich muss mich jetzt wohl als Feind der Jayon Daga betrachten statt als einen der ihren. In Alfheim gibt es keine fünf Leute, denen ich vertrauen kann, und von denen ist keiner in der Nähe, und ich würde auch nicht wollen, dass sie erfahren, was ich getan habe.«
»Weil Sie Zal nicht getötet haben? Sagten Sie nicht, die könnten Sie gar nicht hinter ihm herschicken?«
»Ich sagte, er und ich würden niemals zusammen ausgeschickt werden. Aber ich wurde entsandt, ihn zurückzubringen oder zu töten. Kein Taliesetra oder irgendein sonstiger Angehöriger einer hohen Kaste würde seine Seele mit einer solchen Tat beflecken wollen. Selbst unter diesen Umständen wäre es ein Verbrechen, auf das nur die schwerste Strafe stehen kann.«
»Verbannung«, sagte Lila, weil ihr Justiz-System rasch die Elfendaten durchgegangen war. Das Elfenrecht war rätselhaft und ein weites Feld, aber das hier war leicht zu finden. »Die schicken Sie aus, so etwas auf sich zu nehmen, und lassen Sie dann einfach hängen?«
»Jemand muss es tun. Angehörige niederer Kasten gelten in solchen Fällen als entbehrlich, Hauptsache, man vergeudet keinen Hochstehenden.« Jetzt hörte Lila eine gewisse Bitterkeit in seiner Stimme, und er selbst schien es auch zu merken, denn er sagte: »Ignorieren Sie mein Selbstmitleid. Meine Geschichte als Jayon Daga ist keine rühmliche. Tod und Blut haften an meinen Händen, und der Dienst an Alfheim ist keine
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