Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liliane Susewind – Ein kleines Reh allein im Schnee (German Edition)

Liliane Susewind – Ein kleines Reh allein im Schnee (German Edition)

Titel: Liliane Susewind – Ein kleines Reh allein im Schnee (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya Stewner
Vom Netzwerk:
weil in Lillis Geburtszimmer vor allem Lilien standen, haben wir das Kind Liliane genannt.« Sie lächelte Lilli an. »Du warst genauso schön wie die erblühten Blumen.«
    Es entstand eine Pause, in der jeder lächelnd vor sich hin starrte.
    Jesahja brach den Bann nach einer Weile. »Und wie ging es dann weiter? Wann hat Lilli angefangen, mit Tieren zu sprechen?«
    Oma trank noch einen Schluck Tee. »Schon bevor Lilli auch nur ein einziges Wort sprechen konnte, hat sie ihre ganz eigene Sprache mit Tieren entwickelt! Ich erinnere mich noch an den ersten schönen Sommertag in jenem Jahr. Lilli war noch ganz klein, erst ein paar Monate alt. Ich legte sie damals auf eine Decke ins Gras, und innerhalb von wenigen Minuten war sie von Schmetterlingen umringt! Sie flatterten aufgeregt um sie herum, als hätten sie so etwas wie Lilli noch nie gesehen. Da hob Lilli den kleinen Finger und schwenkte ihn durch die Luft. Und die Schmetterlinge folgten ihrem Finger! Als führe Lilli sie an einer unsichtbaren Leine, flatterten sie hierhin und dorthin, ganz, wie ihr Finger es vormachte. Lilli gluckste begeistert und spielte mit den Schmetterlingen, als sei es das Normalste auf der Welt.«

    »Und als Lilli schließlich zu sprechen begann«, nahm Lillis Vater den Faden auf, »wurde unser Haus noch mehr von Tieren belagert als zuvor! Sie kamen herein, sobald wir ein Fenster oder eine Tür öffneten, und wollten gar nicht mehr gehen. Egal, was Lilli von sich gab, die Tiere taten, was sie wollte! Wenn Lilli auf ihren Schnuller zeigte und ›Da!‹ rief, sprang sofort eine Katze oder ein Vogel auf und brachte ihn ihr. Und schlafen konnte Lilli nur dann, wenn irgendein Tier im Raum war! Zum Glück sorgten die Tiere dafür, dass Lilli nie allein blieb.«
    Lilli drehte verlegen die Daumen. Noch heute konnte sie nur dann einschlafen, wenn ein Tier bei ihr war …
    Mit einem Blick in Frau von Schmidts Richtung fügte Lillis Mutter nun nachdenklich hinzu: »Die Haustiere der Nachbarn hielten sich lieber bei uns auf als bei ihren Besitzern.«
    »Ja.« Lillis Vater verzog leicht den Mund. »Dadurch fingen die Nachbarn irgendwann an, sich zu wundern und Fragen zu stellen.«
    »Das ging schon mit der Tierhorde am Tag von Lillis Geburt los«, sagte Oma. »So etwas fällt natürlich auf. Vor allem die Vögel vor den Fenstern! Außerdem war unser Garten in der kommenden Zeit immer viel schöner und blühender als die anderen Gärten in der Umgebung.«
    »Aber wir wollten um jeden Preis verhindern, dass alle von Lillis Besonderheit erfuhren«, erklärte Lillis Mutter mit traurigem Unterton. »Sie war ein Geschenk, das wir beschützen mussten! Wenn wir den Leuten erzählt hätten, wie anders Lilli ist, hätten sie unsere Tochter niemals in Ruhe gelassen. Und Lilli hätte nicht normal aufwachsen können.« Sie lachte freudlos. »Na ja, das haben wir letztendlich ja auch nicht geschafft …«
    Lilli nahm die Hand ihrer Mutter und drückte sie. Es war in der Vergangenheit zwar oft schwer für sie gewesen, ihre Fähigkeiten zu verheimlichen, aber sie hatte verstanden, warum sie es niemandem erzählen durfte. Ihre Eltern hatten sie nur beschützen wollen. Dennoch war das Geheimnis vor kurzem ans Licht gekommen. Wie gefährlich das war, hatte Lilli erfahren müssen, als sie gleich darauf entführt wurde. Zum Glück hatte ein Wolf sie gerettet …
    Ihre Mutter sprach nun weiter. »Damals, noch bevor Lilli ein Jahr alt war, sind wir zum ersten Mal umgezogen.« Sie seufzte. »Und es sollte nicht das letzte Mal bleiben.«
    Isabell meldete sich nun wieder zu Wort. »Ich hoffe, dass ihr nie wieder umziehen werdet. Wir haben euch nämlich sehr gern als Nachbarn – und als Freunde.«
    Lillis Eltern lächelten die Sturmwagners in stillem Einvernehmen an, und Lilli hoffte, dass sie wirklich nie wieder umziehen würden. Sie hatte noch nie zuvor Freunde gehabt, da sie durch ihr Geheimnis immer und überall Außenseiterin gewesen war. Einen Freund wie Jesahja fand sie außerdem ganz bestimmt nicht noch einmal.
    »Schaut, es schneit!«, rief Lillis Oma plötzlich, und alle erhoben sich und gingen zum Fenster. Isabell fiel das offenbar nicht leicht. Akeele musste ihr beim Aufstehen sogar helfen. Er hatte, wenn man genau hinsah, ebenso glasige Augen wie seine Frau. Ob er auch Halsschmerzen hatte?
    Die beiden lächelten jedoch und schienen den Abend genauso zu genießen wie alle anderen. Sie versammelten sich nun vor dem Fenster. Draußen fielen zarte kleine Flocken vom

Weitere Kostenlose Bücher