Liliane Susewind – Ein Pinguin will hoch hinaus (German Edition)
voll dicke Luft. Geh da lieber nicht rein.«
»Lilli?«, erklang da schon die Stimme von Frau Susewind. »Komm bitte mal her.«
Lilli wappnete sich und schlurfte zu ihrer Mutter. Die stand mit wütendem Gesicht da und wies wortlos auf die Couch. Lilli hatte bereits geahnt, dass Frau von Schmidt die Couch verunstaltet hatte, aber es war schlimmer als gedacht. Lange Krallenspuren zierten die Rücklehne, und Fetzen von Schaumstoff guckten daraus hervor. Auf der Sitzfläche prangten krallengroße Löcher, die in Kreisen angeordnet zu sein schienen. Die Couch war ruiniert.
»Schmidti hat sich richtig Mühe gegeben!«, schnuffte Bonsai und betrachtete mit bewundernder Miene das Kunstwerk der Katze.
Dass Frau von Schmidt sich Mühe gegeben hatte, war tatsächlich unverkennbar.
Lillis Mutter ging schweigend zum Esstisch und zeigte auf die Tischbeine. Tiefe Rillen wanden sich wellenartig von unten nach oben durch das Holz.
»Die hat Schmidti mit den Zähnen gemacht!«, informierte Bonsai sie. »Krass, oder? Was Schmidti alles kann!« Er wedelte verzückt mit dem Schwanz. »Oben im Schlafzimmer hat sie Federn aus den Kopfkissen rausgeholt und im Kreis auf dem Teppich verteilt. Voll schön.«
Lilli schluckte.
»Die Katze hat einen Schaden von mehreren Tausend Euro angerichtet«, sagte Lillis Mutter nun in mühsam beherrschtem Ton. »Ich möchte nicht, dass sie noch mal zu uns ins Haus kommt. Nie wieder.«
»Aber Mama –«
»Keine Widerrede!« Ihre Mutter hob die Hand. »Frau von Schmidt hat Hausverbot. Für immer.«
Im Pinguinhaus
Am nächsten Tag wollten Lilli und Jesahja gleich nach der Schule mit dem Bus zum Zoo fahren. Jesahja hatte die Holzflügel über Nacht fertig gebaut und konnte es, ebenso wie Lilli, gar nicht erwarten, sie Yuki anzulegen und einen Flugversuch zu starten.
Als sie die Schule gerade verlassen wollten, hielt Jesahja Lilli zurück. »Warte mal«, sagte er, kramte in der großen Tasche, in der er die Flügel hatte, und zog eine Mütze hervor – eine rot-gelb-grüne Häkelmütze, an der verfilzte schwarze Haarsträhnen hingen! »Die hab ich gestern in der Karnevalsabteilung gefunden«, erklärte Jesahja mit begeistertem Gesicht. »Das ist eine Rastafari-Kappe.«
»Eine was?«
»Eine Reggae-Mütze mit Dreadlocks dran!«
Lilli hatte keine Ahnung, wovon Jesahja sprach. Er kannte anscheinend Wörter, die bestimmt sonst kaum ein Mensch auf der Welt jemals benutzte.
Jesahja machte eine wegwerfende Handbewegung. »Egal. Wenn du die aufsetzt, erkennt man dich jedenfalls nicht so schnell.«
Lilli machte große Augen. »Aber ich sehe auch total bescheuert aus!«
»Nee, die ist hammer!«, versicherte Jesahja und hielt ihr die Mütze hin. Es waren kaum noch Schüler in der Schule, also zog Lilli sich das gehäkelte Ding mit den angeklebten Haaren gleich hier im Gang über den Kopf und stopfte ihren Zopf darunter. Jesahja zupfte an ihr herum, dann war er zufrieden. »Perfekt«, sagte er. »Geh du zuerst raus. Wir sollten nicht zusammen gesehen werden. Die Paparazzi kennen mich inzwischen auch und würden das Ganze durchschauen. Wir treffen uns an der Bushaltestelle!«
Lilli nickte, verließ das Schulgebäude und stapfte mit gesenktem Kopf durch den Schnee. Gleich die ersten Leute, denen Lilli begegnete, starrten sie an und grinsten erheitert. Aber niemand schien sie zu erkennen. Mit angehaltenem Atem ging Lilli nun auf die Reporter zu, die hinter dem Schulhof auf der Lauer lagen. Sie reagierten nicht! Einer lachte zwar und fragte, ob denn schon Karneval wäre, aber keiner fotografierte sie. Kaum war Lilli an ihnen vorbei, begann sie zu grinsen. Jesahja war einfach ein Genie.
Zehn Minuten später trafen sie sich an der Bushaltestelle und fuhren gemeinsam zum Zoo. Auch im Bus wurde Lilli angestarrt. Aber aus einem ganz anderen Grund als sonst, und das gefiel ihr.
Kurze Zeit darauf betraten sie die Pinguinanlage. Lilli nahm die Mütze ab und sah sich um. Die Pinguinweibchen standen neben einem leeren Eimer und beschwerten sich gerade lauthals darüber, dass kein Futter da war.
»Also, ich finde das ja extrem schlecht organisiert hier«, meckerte Dornröschen mit Schreistimme. »Der Service ist wirklich allerunterste Schublade!«
»Tut dir mal ganz gut, nicht so viel zu fressen, Schätzelein«, konterte Rapunzel. »Auf deinem Hintern kannst du ja bald schon zum Futtereimer rollen!«
Die anderen Weibchen gackerten.
»Guck dir mal lieber deine eigene Wampe an, Rapummel!«, schrie Dornröschen
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