Liliane Susewind – Ein Pinguin will hoch hinaus (German Edition)
für eine Idee?«, fragte Jesahja.
»In unserem Streichelzoo im Zupplinger Tierpark hat eine Gänsemutter eines ihrer Eier im Stich gelassen«, erzählte Herr Grimm-Hartmüller. »Ich dachte mir heute Morgen: Was wäre, wenn man das Ei den beiden Humboldtpinguinen geben würde? Vielleicht könnten sie es ausbrüten.«
»Dann hätten wir bald eine kleine Gans in der Pinguinanlage!« Frau Essig-Steinmeier schien sich das bildlich vorzustellen und sah ein bisschen skeptisch aus.
Lilli hingegen war begeistert. »Das wäre toll!«
»Dann werde ich das Ei übermorgen, wenn ich das nächste Mal komme, mitbringen«, versprach der Direktor.
Lilli war nun ganz aufgeregt. Kasimir und Kentucky würden vor Freude völlig aus dem Häuschen sein, wenn aus dem Ei irgendwann ein kleiner Vogel schlüpfen würde!
»Weibsvolk!«, donnerte da eine schneidende Stimme. Im nächsten Augenblick landete Pasha inmitten der lauten Pinguinprinzessinnenschar. Er war im hohen Bogen aus dem Wasser gesprungen. »Ihr Giftspritzen haltet sofort eure Schnäbel! Ihr sagt kein einziges Wort mehr oder ich unterjoche jede einzelne von euch!«
Pashas Körperhaltung war angespannt und drohend. Lilli wusste, dass unterjochen so viel hieß wie zu Sklaven machen .
»Unter… was?«, quäkte Belle entgeistert.
»Da! Du!« Pasha piekte unvermittelt mit dem Schnabel in Belles dicken Bauch.
»Aua!« Belle wich kreischend zurück. »Du bist fies!«
»Hiermit unterjoche ich dich!« Pasha baute sich zu voller Größe auf und schlug großspurig mit den Flügeln. »Du bist jetzt unterjocht.«
»Was bin ich?«, fragte Belle verwirrt.
»Unterjocht«, versetzte Cinderella spitz.
»Ha!«, schrie Pasha. »Du auch!« Er piekte Cinderella in den Bauch und schlug mit den Flügeln. »Hiermit unterjoche ich dich!«
Cinderella starrte Pasha entsetzt an.
»Und dich!« Pasha piekte nun auch Rapunzel. »Und dich! Und dich auch!« Er piekte Schneewittchen und Dornröschen. »Ihr seid alle unterjocht.«
Die Pinguinweibchen standen sprachlos da.
»Ihr bleibt jetzt mucksmäuschenstill«, ordnete Pasha an. »Hört ihr? Kein Wort mehr, nicht ein einziges! Ist das klar?«
Die Weibchen blickten ihn ängstlich an und schwiegen.
»Na also«, sagte Pasha zufrieden. »Geht doch.«
Herr Grimm-Hartmüller fragte Lilli: »Was sagt er denn? Das ist ganz offensichtlich extremes Dominanzverhalten!«
Dieses Wort hatte Lilli noch nie gehört. »Er bringt sie zum Schweigen. Aber auf gemeine Art.« Es herrschte nun zwar eine wohltuende Ruhe im Pinguinhaus, aber die kleinen Prinzessinnen sahen so eingeschüchtert und verängstigt aus, dass Lilli Mitleid mit ihnen bekam.
Pasha sprang wieder ins Wasser und zog seine Bahnen. Die Weibchen trotteten schweigend weiter und schienen tief verunsichert zu sein.
»Hi, bin ich zu spät?«, hörte Lilli auf einmal Trinas Stimme hinter sich. »Ist der Kleine schon geflogen?« Trina stand in ihrem grünen Overall in der Tür.
»Nein«, antwortete Jesahja. »Wir wollten ihn gerade holen, um es zu versuchen.«
»Klasse.« Trina lächelte Lilli an. »Das will ich nicht verpassen.«
Lilli lächelte nicht zurück. Sie hatte plötzlich wieder ein sehr grummeliges Gefühl im Bauch.
Flieg, kleiner Pinguin!
»Ruf doch mal nach Yuki, Liliane!«, forderte Frau Essig-Steinmeier Lilli auf.
Lilli versuchte nun, sich auf das zu konzentrieren, was sie vorhatten, und ignorierte Trina, die sich neugierig an den Rand der Pinguinanlage stellte, um zuzusehen. »Yuki!«, rief Lilli und hörte gleich darauf seine hohe, heisere Stimme. »Hier bin ich.«
Lillis Blick wanderte nach unten. Yuki stand direkt neben ihr, und sie hatte ihn nicht bemerkt! Wie lange war er schon da?
»Ist es jetzt so weit?«, fragte er.
»Es ist so weit!« Lilli spürte, wie sich erneut Aufregung in ihr breitmachte. »Jesahja hat die Flügel für dich dabei.«
»Das ist ja was!«, hörte Lilli Kasimirs Stimme, und im nächsten Augenblick erschien der Humboldtpinguin im Höhleneingang.
»Kommt rüber, ihr zwei!«, rief Lilli. »Es gibt gleich was zu gucken!«
»Leider keine Zeit«, antwortete Kasimir. »Wir müssen brüten.«
Lilli seufzte. »Nein, das müsst ihr nicht«, sagte sie vorsichtig und ging ein paar Schritte auf Kasimir zu. »Wisst ihr, der Stein, den ihr ausbrütet, ist ein Stein!« Sie wusste nicht, wie sie es anders ausdrücken sollte. »Es wird kein Junges daraus schlüpfen.«
Nun steckte Kentucky den Kopf zum Höhleneingang heraus. »Was?«
»Sie hat gesagt, der
Weitere Kostenlose Bücher