Liliane Susewind – Ein Pinguin will hoch hinaus (German Edition)
behandelt hat. Es schien ihr wirklich leidzutun.«
»Hmmm …« Lilli zog den Reißverschluss ihrer Jacke hoch. Es war bitterkalt. »Irgendwie kommt mir das trotzdem komisch vor. Immer, wenn ich Trina sehe, krieg ich ein grummeliges Gefühl im Bauch.«
Jesahja seufzte. »Sicher sein können wir natürlich nicht.« Während er sprach, zog er sich den Schal aus, den er um den Hals trug. »Aber ich würde sagen, Trina hat eine zweite Chance verdient.« Wortlos gab er Lilli den Schal.
Lilli zögerte kurz, dann nahm sie ihn und band ihn sich um den Hals. Er war schön warm. »Na gut.« Sie war in Bezug auf Trina zwar immer noch skeptisch, aber wenn Jesahja ihr glaubte, wollte sie es auch versuchen. »Es gibt übrigens Neuigkeiten aus dem Zoo.«
»Welche denn?«
»Oberst Essig heiratet General Grimm!«, platzte Lilli nun heraus.
»Echt?« Jesahja lachte. »Cool.«
»Grimm war heute im Zoo. Er will eine wissenschaftliche Arbeit über die Pinguine schreiben.« In Lillis Stimme schwang Stolz mit, als sie hinzufügte: »Und dafür möchte er mit mir zusammenarbeiten!«
Jesahja nickte anerkennend.
»Aber … er ist krank«, sagte Lilli. »Er hat Herzrasen.«
»Woher weißt du das?«, fragte Jesahja überrascht.
»Er hat es mir verraten, obwohl es eigentlich sein Geheimnis ist.«
»Aha.« Jesahja senkte den Kopf, sah starr vor sich hin und schien nachzudenken. Dann fuhr sein Kopf plötzlich hoch. Sein Blick bohrte sich in Lillis. »Bitte sag mir jetzt nicht, dass du ihm dafür dein Geheimnis verraten hast!«
Lilli schlug die Augen nieder.
»O nein. Lilli!«, ächzte Jesahja. »Du hast ihm von der Pflanzenheilkraftsache erzählt.«
Lilli nickte, ohne den Blick zu heben.
»Das ist ja wohl nicht wahr!«, rief Jesahja verärgert. »Wie kannst du nur so leichtsinnig sein?«
»Ich kann General Grimm mit meinen Fähigkeiten vielleicht helfen …«, verteidigte sich Lilli mit schwacher Stimme. »Falls es noch mal so wie bei dir und Reena klappt.«
»Zweifelst du daran?«, fragte Jesahja überrascht.
Lilli zuckte die Schultern. Sie wollte am liebsten nicht darüber reden.
Jesahja musterte sie durchdringend. Wie so oft schien er auch ohne viele Worte zu wissen, was in ihr vorging. »In Ordnung«, sagte er nach einer Weile. »Dann hilf Grimm.«
Es entstand eine Pause, in der sie ihren Gedanken nachhingen.
»Finn hat für dich heute Nachmittag im Zoo übrigens eine ganze Tüte voll Federn gesammelt«, erzählte Lilli nach einer Weile. »Damit die Flügel richtig gut werden. Ich hab dir die Tüte eben schon vor die Haustür gestellt.«
»Super«, sagte Jesahja erfreut. »Ich hab im Baumarkt alles bekommen, was ich brauche.« Aufgeregt zeigte er Lilli nun, was er gekauft hatte, und erklärte, wie er die Einzelteile zu Flügeln zusammenbauen wollte. Lilli verstand kein Wort davon, aber Jesahjas Begeisterung war ansteckend. Es musste einfach klappen, und Yuki würde fliegen!
»Das ist ja wohl die Höhe!«, hörte Lilli plötzlich eine Katzenstimme fauchen. »Eine bodenlose Unverschämtheit!«
Die Haustür der Susewinds knallte zu.
»Machen Sie sofort die Tür wieder auf!«, keifte die Katzenstimme, die ohne Frage Frau von Schmidt gehörte. »Was erlauben Sie sich? Ich bin eine Katze von Welt! Ich werde nicht einfach so vor die Tür gesetzt! Machen Sie auf der Stelle die Tür wieder auf. Wird’s bald?!«
Die Tür blieb verschlossen.
»Ich werde mich beschweren!«, miaute Frau von Schmidt mit aufgebrachter Stimme. »Ich werde ganz offiziell Beschwerde einreichen und dann … dann …«
»Ist das Schmidti?«, fragte Jesahja.
Lilli nickte.
»O nein!«, fiepte die Katze. »Ich habe ja meinen Winterdress gar nicht an! Himmel! Ich bin in Lebensgefahr! Die garstige Frostigkeit wird mich darniederstrecken! Ich werde das Bewusstsein verlieren! Was soll ich nur tun?« Ihre Stimme wurde schriller. »Weh mir! Ich spüre schon, wie mein seidig zarter Körper von allen Seiten gefrostet wird. Es gibt kein Entrinnen! Hilfe!«
Da rief Lilli: »Frau von Schmidt! Wir sind hier!«
Leise raschelnd kamen Schritte näher. Gleich darauf erschien Frau von Schmidts orange getigertes Gesicht im Gebüsch. »Madame von Susewind!«, quiekte die Katze. »Helfen Sie mir! Oder Sie!« Damit war offenbar Jesahja gemeint. »Ich bin der Frostigkeit völlig schutzlos ausgeliefert! Ich kann meine Füße schon nicht mehr spüren! Tun Sie doch was! Ich sterbe!«
»Was soll ich denn …«, begann Lilli.
»Keine Zeit mehr! Ahhh!«, kreischte die Katze
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