Liliane Susewind – Ein Pinguin will hoch hinaus (German Edition)
werfen etwas in die Luft, und du versuchst, es oben zu halten.«
Lilli schaute hilfesuchend zu Finn. Der hob die Achseln. »Man kann es ja mal versuchen. Für Yuki.«
Lilli wusste gar nicht, wie ihr geschah. Herr Grimm-Hartmüller griff bereits nach dem leeren Futtereimer, der noch immer herumstand. »Ich werfe ihn hoch, und du konzentrierst dich darauf, dass er nicht runterfallen darf!«
Im nächsten Augenblick schleuderte er den Eimer auch schon in die Luft. Lilli konzentrierte sich und dachte: Eimer, bleib oben!
Der Eimer zeigte sich davon jedoch völlig unbeeindruckt und krachte auf den Boden.
Einen Moment lang stierten alle auf den Eimer.
»Hier wird nix rumgeschmissen!«, donnerte Pasha und hüpfte mit einem Mal wutschnaubend auf den Tierparkdirektor zu. »Ich unterjoche dich, Krachmacher!«
Das war wirklich zu viel. Lilli stellte sich dem aufgebrachten Kronenpinguin in den Weg. »Halt!«, herrschte sie Pasha an und hob die Hand. »Du wirst niemanden mehr unterjochen! Damit ist jetzt Schluss.«
Pasha blieb wie angewurzelt stehen.
Die Pinguinweibchen, die sich die ganze Zeit über sehr ruhig verhalten hatten, begannen nun aufgeregt zu tuscheln. »Wahnsinn, die Dingens!«, rief Belle begeistert.
»Sie ist meine Heldin!«, schwärmte Cinderella.
»Warum darf ich niemanden mehr unterjochen?«, fragte Pasha Lilli.
»Weil … das nicht nett ist!«, erwiderte Lilli. »Die anderen haben Angst vor dir.«
»Sollen sie ja auch!«
»Warum?«
Pasha stutzte. »Damit sie sich nicht über mich lustig machen!«, antwortete er. »Zum Beispiel über meine Krone.« Er meinte offenbar seine gelben Federschöpfe. »Früher haben mich immer alle damit aufgezogen und mich geärgert. Aber das macht heute keiner mehr, weil keiner sich mehr traut!«
Nun verstand Lilli. Pasha war so gemein zu den anderen, damit sie nicht gemein zu ihm waren. Aber so funktionierte das nicht. »Wenn du willst, dass die anderen nett zu dir sind, musst du zuerst nett zu ihnen sein«, erklärte sie. »Anders herum geht es nicht. Wenn du ihnen Angst machst, kommt das irgendwann doppelt und dreifach zu dir zurück. Und dann bereust du, dass du so böse warst.«
Pasha schien zu überlegen. »Wirklich?«
»Wirklich«, bekräftigte Lilli. »Wenn man –«
Da begann Trina zu applaudieren.
Herr Grimm-Hartmüller fiel in den Applaus ein. »Was für ein weises Kind!«, rief er, offensichtlich bewegt. Seine Augen waren ganz rot.
Lilli schoss eine Hitzewelle ins Gesicht. Sie fand den Applaus ziemlich übertrieben. Viel wichtiger war, dass Pasha begriff, was sie sagte.
Der Kronenpinguin watschelte jedoch bereits zum Wasserbecken zurück. »Der Zweibeiner hat Nerven, so einen Krach zu machen …«, brummte er. »Und überhaupt! Wo ist das Wetter? Kein Eis, kein Schnee, kein Wind, kein Wetter, nix! Hier ist alles Mist!«, meckerte er und sprang ins Wasser.
Lilli seufzte. Pasha war wieder der Alte. Sie hatte fast geglaubt, dass sie zu ihm durchgedrungen war. Aber anscheinend war der heutige Tag einfach ein kompletter Reinfall.
»Was ist denn mit dir, mein Liebster?«, fragte Frau Essig-Steinmeier auf einmal besorgt, fasste ihren Verlobten am Kinn und drehte sein Gesicht nach rechts und links.
Der Tierparkdirektor hatte knallrote Augen und sah aus, als hätte er nächtelang nicht geschlafen. »Ich bin so müde«, sagte er matt. »Ich glaube, ich werde mich mal etwas hinlegen.« Mit diesen Worten ließ er sich schwer auf eine Bank im Besucherbereich fallen.
Frau Essig-Steinmeier zog die linke Augenbraue in die Höhe. »Du willst doch nicht hier schlafen?«
»Warum denn nicht …«, nuschelte er und schloss die Augen. Gleich darauf begann er zu schnarchen.
Lilli starrte den großen, schlafenden Mann verwirrt an. Dann fiel ihr etwas ein, das sie gestern in dem Kräuterbuch ihres Vaters über Baldrian gelesen hatte: Baldrian wirkt beruhigend und fördert den Schlaf . Lilli sog erschrocken die Luft ein. Die verstärkten Kräuter hatten Herrn Grimm-Hartmüller umgehauen! Das lag bestimmt daran, dass er eine viel zu große Portion von den Tropfen geschluckt hatte! Lilli verknotete ängstlich die Finger ineinander. Sollte sie irgendetwas tun? Der Tierparkdirektor schnarchte laut und grunzte im Schlaf – das klang recht normal. Wahrscheinlich hatte die hohe Baldriandosis ihn einfach nur extrem müde gemacht. Aber vielleicht war es auch etwas Schlimmeres? Vielleicht war die Überdosis schädlich für ihn?
Lilli stand hilflos da und starrte auf den
Weitere Kostenlose Bücher