Liliane Susewind – Ein Pinguin will hoch hinaus (German Edition)
Handy?«, wunderte sich Lillis Vater, der gerade aus der Küche kam.
»General Grimm.«
»Wieso?«
Lilli zögerte und überlegte. Es blieb ihr nun nichts anderes übrig, als die beiden einzuweihen. Allerdings merkte sie, dass sie froh darüber war. Sie hatte sich mit der Sorge um den Tierparkdirektor sehr allein gefühlt, und alles war besser, als allein Angst zu haben. »Also …« Lilli erzählte den beiden von Herrn Grimm-Hartmüllers Herzrasen und wie sie ihm mit den Baldriantropfen geholfen hatte. Zum Schluss sagte sie: »Ich weiß, ich hätte das nicht tun dürfen. Jedenfalls nicht, ohne mit dir darüber zu reden, Papa.«
Ihr Vater sah sie durchdringend an. »Das ist richtig, Lilli«, antwortete er in ärgerlichem Ton. »Du kannst doch nicht einfach so an meinen Kräuterschrank gehen!«
Lilli senkte schuldbewusst den Kopf.
»Baldrian ist sowieso schon ein starkes Mittel, aber mit deiner Verstärkung könnte es ungeahnte Folgen haben!«
»Ich hätte verhindern müssen, dass General Grimm so viel davon trinkt«, flüsterte Lilli.
»Ja, das hättest du.« Ihr Vater schüttelte den Kopf. »Du hättest außerdem nicht so leichtfertig mit dieser Sache umgehen dürfen. Kräuter können auch Schaden anrichten!« Lilli hatte ihren Vater noch nie so wütend gesehen. »Was hast du dir nur gedacht? Du hast einfach schnell in meinem Buch nachgeschaut, wie viele Tropfen der Direktor nehmen soll. Dabei hast du anscheinend vergessen, dass du die Wirkung verstärkt hast! Fünfzehn Tropfen sind dann natürlich schon viel zu viel! Du musst über solche Dinge besser nachdenken, Lilli!«
Lilli hatte einen dicken Kloß im Hals.
Der Ton ihres Vaters verschärfte sich nun aber noch. »Warum sprichst du nicht mit mir, bevor du so etwas machst? Du kannst nicht einfach so mit meinen Heilkräutern herumspielen, ohne Rücksprache mit mir zu halten! Der Mann hat ein Herzleiden, zum Henker nochmal! Das ist ernst, Lilli!«
Lilli begann zu weinen. »Es tut mir leid …«, presste sie undeutlich hervor. »Ich wollte es zuerst gar nicht machen. Ich will diese blöde Gabe ja eigentlich gar nicht haben! Aber er brauchte doch Hilfe …«
Lillis Oma wurde hellhörig. »Was meinst du damit, dass du diese Gabe eigentlich gar nicht haben willst?«
»Ich habe schon genug Ärger mit den anderen!«, stieß Lilli aufgebracht hervor. »Warum muss ich das jetzt auch noch können? Ich will das gar nicht!«
Ihr Vater und ihre Oma blickten sie überrascht an.
»Wenn ich jemandem verstärkte Kräutern gebe, bin ich irgendwie auch verantwortlich dafür, was dadurch mit ihm passiert, oder?«, fuhr Lilli erstickt fort. »Ich habe die halbe Nacht nicht geschlafen, weil ich mir solche Sorgen um General Grimm gemacht habe. Das ist mir zu viel! Ich will niemanden heilen können!«
Ihr Vater und ihre Oma wechselten einen Blick.
»Schatz«, sagte ihr Vater. Seiner schwankenden Stimme hörte Lilli an, dass ihre Worte ihn völlig aus dem Konzept gebracht hatten. »Ich hatte keine Ahnung, dass du so empfindest. Das ist ja …« Er suchte nach Worten. »Wenn dir diese Gabe so zu schaffen macht, dann … dann wende sie einfach nicht an!«
Lilli hob den Kopf.
»Du musst sie ja nicht benutzen«, sprach ihr Vater mit einer hilflosen Handbewegung weiter. »Niemand wird dich zwingen.«
Lilli spürte, wie sich der Kloß in ihrem Hals ein wenig löste.
Lillis Oma ergriff nun das Wort. »Gaben sind immer Geschenke, die man schätzen sollte. Man bekommt sie auch nicht ohne Grund. Aber vielleicht ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um diese spezielle Gabe anzuwenden. Wenn du älter bist, ist sie ja immer noch da. Und dann kannst du überlegen, was du damit machen möchtest.«
»Ja, das ist ein guter Plan, Mutter.« Herr Susewind suchte Lillis Blick. »Wäre das in Ordnung für dich?«, fragte er und strich ihr übers Haar. »Du machst erst mal nichts mit Kräutern und lässt die blöde Gabe eine blöde Gabe sein?«
Lilli wischte sich mit dem Ärmel durchs Gesicht und schniefte. Dann nickte sie.
Herr Susewind nahm seine Tochter in den Arm und drückte sie.
Lillis Oma umarmte ihre Enkelin von der anderen Seite. Dann sagte sie: »Dein neues Smartphone ist übrigens der letzte Schrei auf dem Markt. Aber eigentlich ist so ein Gerät ein viel zu teures Geschenk für ein Kind, finde ich!«
Lillis Vater gab seiner Mutter recht.
»Du müsstest außerdem erst mal deine Eltern fragen, ob sie überhaupt wollen, dass du immer und überall ins Internet kannst!«,
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