Liliane Susewind – Ein Pinguin will hoch hinaus (German Edition)
schnarchenden Mann. Sie hatte ihm die Tropfen gegeben, also war sie nun auch verantwortlich dafür, wie es dem Direktor ging. Oder nicht?
Lilli biss sich auf die Lippe und wünschte sich in diesem Moment, sie wäre nicht an den Kräuterschrank ihres Vaters gegangen.
Das Geschenk
Mitten in der Nacht wachte Lilli schweißgebadet auf. Sie hatte geträumt, dass Herr Grimm-Hartmüller durch die verstärkten Baldriantropfen in einen tiefen Dornröschenschlaf gefallen war und hundert Jahre lang nicht aufwachen konnte, obwohl Frau Essig-Steinmeier ihn immer wieder wachzuküssen versuchte.
Lilli setzte sich auf und merkte, dass sie am ganzen Körper zitterte. Sie musste Herrn Grimm-Hartmüller am Morgen unbedingt anrufen. Sie musste wissen, ob es ihm gutging. Ob die Tropfen einen Schaden angerichtet hatten!
Lilli konnte sich kaum beruhigen und lag bis zum Morgengrauen wach. Als der Wecker endlich klingelte, sprang sie aus dem Bett, um den Tierparkdirektor anzurufen. Da fiel ihr siedend heiß ein, dass sie seine Telefonnummer gar nicht kannte! Rasch versuchte sie, die Nummer im Internet zu recherchieren. Aber unter Grimm-Hartmüller war gar kein Eintrag, und unter Grimm gab es keinen einzigen Everdorn. Vielleicht konnte Jesahja ihr weiterhelfen? Sie rief ihn an, doch er nahm nicht ab. Lilli versuchte es immer wieder, bis ihr Vater sie zur Schule fahren wollte und Lilli wohl oder übel aufgeben musste.
Als Lilli am frühen Nachmittag aus der Schule kam, klingelte sie zuerst bei den Sturmwagners. Jesahja war nicht in der Schule erschienen, und Lilli machte sich Sorgen um ihn. Immerhin war er nach dem Desaster in der Pinguinanlage einfach weggelaufen. Und außerdem musste sie unbedingt mit ihm reden.
Jesahjas Mutter Isabell öffnete die Tür. Normalerweise arbeiteten Jesahjas Eltern tagsüber beide, deswegen war Lilli überrascht. »Hallo, Lilli!«, begrüßte Isabell sie. »Du willst bestimmt zu Jesahja.«
Lilli bejahte.
»Tut mir leid. Das geht leider nicht. Er hat sich in seinem Zimmer verbarrikadiert und lässt niemanden hinein«, erklärte Isabell mit betrübtem Gesicht.
»Oh.« Offenbar nahm er sich die Sache mit den Flügeln noch mehr zu Herzen, als Lilli gedacht hatte.
Isabell seufzte. »Lass ihm einfach ein bisschen Zeit, ja?«
Lilli blieb nichts anderes übrig, als sich zu verabschieden. Mit hängendem Kopf stapfte sie durch den Garten. Der Schnee, der in den letzten beiden Tagen gefallen war, reichte ihr mittlerweile bis zu den Waden. Und es schneite immer noch!
Als sie die Haustür öffnete, sprang sofort Bonsai an ihr hoch. »Lilli! Mannomann, Lilli!«, hechelte er und hopste begeistert um sie herum. »Wenn du da bist, find ich es immer total viel besser, als wenn du nicht da bist. Weil du dann da bist!«
»Hallo!« Lilli strubbelte dem Hund durch die weißen Zotteln und setzte ihren Tornister ab.
»Wo ist eigentlich Schmidti?«, fragte Bonsai. »Sie ist den ganzen Tag noch nicht aufgetaucht!«
Noch so eine Sache …, dachte Lilli. Irgendwie ging momentan alles schief. Ihre Mutter hatte das Hausverbot für Frau von Schmidt nicht zurückgenommen und wollte die Katze nie wieder hereinlassen. »Schmidti kommt bestimmt irgendwann wieder«, erwiderte Lilli und hoffte, dass das auch stimmte.
Da rief ihr Vater aus der Küche: »Lilli? Schatz, da ist ein Paket für dich gekommen. Liegt auf dem Tisch.«
Lilli ging ins Wohnzimmer. Auf dem Tisch lag ein buntes Päckchen. Als sie es öffnete, fiel ihr zuerst ein schön geschriebener Brief in die Hand.
Liebe Liliane, ich habe wunderbar geschlafen! Das erste Mal seit Jahren. Die Tropfen sind wirklich einzigartig! Für deine phantastische Hilfe schicke ich dir ein kleines Dankeschön. In Freundschaft, Everdorn Grimm-Hartmüller.
Lilli musste sich setzen. Ihre Beine fühlten sich mit einem Mal an wie Wackelpudding. Es ging ihm gut! Es ging Herrn Grimm-Hartmüller gut! Sie stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus. Das Päckchen war an diesem Morgen mit Express aufgegeben worden, also hatte er auch die Nachricht an diesem Morgen geschrieben. Lilli seufzte noch einmal erleichtert und machte sich daran, das Geschenkpapier von dem kleinen Gegenstand abzureißen, der in dem Paket lag. Ihre Augen weiteten sich. Es war ein Handy. Ein funkelnagelneues, teuer aussehendes Smartphone, mit dem man ins Internet gehen konnte!
»Das gibt’s ja gar nicht!« Lillis Oma stand plötzlich neben ihr. »Das ist das neueste Modell von –«
»Wer schickt dir denn ein
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