Liliane Susewind – Ein Pinguin will hoch hinaus (German Edition)
von Ihnen, dass Sie meine Wenigkeit mit Ihrer Anwesenheit beehren. Eine Schnurrdame von Welt wie Sie hat sicherlich viele Termine.«
»Oh, mein Bester«, gurrte eine Stimme, die eindeutig Frau von Schmidt gehörte. »Sie wissen doch, ich empfinde unsere Bekanntschaft als überaus erbaulich! Ihre geschliffenen Manieren sind wahrhaftig eine Wohltat in dieser Welt der Barbaren und Banausen.«
Frau von Schmidt stolzierte vor dem Gehege des Leoparden Feodor auf und ab. Feodor saß hinter den Gitterstäben und ließ seinen gepunkteten Schwanz anmutig über den Boden gleiten.
»Keiner meiner Bekannten hat so glanzvolle Tupfen wie Sie, mein Bester«, schnurrte die Katze nun weiter.
Die gelbgrünen Augen des Leoparden leuchteten auf. »Oh, Sie machen mich ganz verlegen, Verehrteste! Und dabei sind doch Sie es, die mit Ihrer wohlgestalteten Zierlichkeit jeden betören, der auch nur einen Blick auf Sie wirft!«
Frau von Schmidt kicherte ein Katzenkichern, und Feodor fiel glucksend mit ein.
»Hey!«, donnerte es auf einmal aus dem Gehege gegenüber. »Halt mal den Rand, Knilch!« Es war Shankar, der riesige Löwe, der offenbar soeben aus dem Innenraum des Großkatzenhauses herausgetreten war und nun genervt zu dem Leoparden hinüberstierte. »Meine Familie braucht Ruhe. Also mach jetzt kein Halligalli hier!«
Shankar lebte mit der Tigerin Samira und ihren drei gemeinsamen kleinen Ligern Shira, Lio und Tigerlilli im Zoo. Mit Feodor hatte er sich noch nie gut verstanden.
Der Leopard erhob sich. »Ich lasse mir von einem unkultivierten Rüpel doch nicht meine Galanterie verbieten!«, fauchte Feodor und zeigte die Zähne. »Die werte Schnurrdame von Schmidt besucht mich schließlich nicht alle Tage, und –«
Shankar unterbrach den Leoparden barsch. »Ach so! Schmidti ist da!«, röhrte er und suchte in der Dunkelheit nach der Katze. »Da! Da bist du ja, altes Mädchen!«
Frau von Schmidts Miene verfinsterte sich.
Shankar sah es. »Immer noch die mürrische Tour, ja? Reg dich bloß nicht auf, Knirps.«
Frau von Schmidts Ohren zuckten zurück. »Wagen Sie es nicht, mich Knirps zu nennen!«, schrillte sie. »Ich bin eine kulturelle Gigantin!«
Feodor stimmte ihr aufgebracht zu. »In der Tat, Verehrteste, in der Tat!«
Shankar kratzte sich amüsiert mit dem Hinterlauf am Hals. »Eigentlich mag ich dich gern, Knirps. Du bist echt zum Totlachen.«
Frau von Schmidt fuhr wie von der Tarantel gestochen in die Höhe. »Wenn Sie das noch einmal sagen, dann …«
Shankar schaute sie interessiert an. »Ja? Was dann?«
»Dann wird meine Rache furchtbar sein!«, quiekte Frau von Schmidt.
Der Kopf der Zoodirektorin, die die ganze Zeit über unbeweglich dagestanden und ausgesehen hatte, als sei sie im Stehen eingeschlafen, fuhr nun ruckartig in die Höhe. »Liliane! Was ist denn mit den Katzen los?«
»Shankar und Frau von Schmidt sind … kulturell nicht auf einer Wellenlänge«, antwortete Lilli. »Feodor und sie schon.«
»Lilli!«, brüllte Shankar erfreut, als er Lillis Stimme hörte. »So eine Überraschung!«
Lilli ging schnell zu ihm hinüber, kletterte über die Absperrung, steckte die Hand durch die Gitterstäbe und streichelte seine buschige Mähne. »Hallo, mein Schöner«, sagte sie leise, denn der Löwe war ein lieber Freund von ihr.
»Mmmm«, machte Shankar genießerisch, schloss die Augen und ließ sich von Lilli hinter den Ohren kraulen. Lilli musste daran denken, dass ein solches Bild den Reportern Unmengen an Geld bringen würde.
Frau von Schmidt miaute empört: »Ich hätte von Ihnen wirklich eine bessere Katzenkenntnis erwartet, Madame. Dieser ungebildete Rohling ist doch kein Umgang!«
Shankar ignorierte die keifende kleine Lady, während Lilli ihr einen entschuldigenden Blick zuwarf und den Löwen weiterkraulte. »Wo sind Samira und die Kleinen?«
»Sie sind drinnen«, antwortete der Löwe mit leisem Grollen. »Shira hat Bauchschmerzen. Außerdem ist es viel zu kalt hier draußen.« Er schnaufte. »Zum Glück bin ich abgehärtet. Einen richtigen Kerl wie mich kann so ein bisschen Kälte nicht umhauen.«
Lilli lächelte. Großkatzen mochten die Kälte ebenso wenig wie Hauskatzen. Da kam Lilli eine Idee. Vielleicht könnte ihr Vater ja auch für Shankar und Samira Wollanzüge stricken! Bevor Lilli diesen Gedanken weiterdenken konnte, wurde sie von Bonsai unterbrochen.
»Lilli!«, kläffte der Hund. »Kannst du Schmidti sagen, dass sie mit mir auch was total Kulturelles machen kann? Sie muss nicht mit
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