Liliane Susewind – Mit Elefanten spricht man nicht! (German Edition)
den Hunden, die gerade von ihrem Frauchen gerufen wurden und sich nun endlich trollten.
Lilli klopfte den Dreck von ihrer Jacke ab und versuchte, ihre aufgeschrammten Hände an einem Taschentuch abzuwischen. Sie bemerkte, dass Jesahja zu ihr herübersah. Offensichtlich hatte er die ganze Sache beobachtet. Lilli wagte gar nicht erst, daran zu denken, wie toll es gewesen wäre, wenn Jesahja ihr geholfen hätte.
Während Lilli sich noch bemühte, ihre Sachen und ihre Hände in Ordnung zu bringen, kam eine Lehrerin auf sie zu und fragte, ob alles in Ordnung sei. Lilli sagte: »Ja, alles okay«, und schluckte die Tränen hinunter, die ihr im Halse steckten.
Der Geheimnistausch
In den nächsten beiden Tagen wurde Lilli in Ruhe gelassen. Sie gab den Mädchen aus ihrer Klasse keinen Anlass, ihr wieder zuzusetzen. Daher war sie weniger interessant als der ständig am Gitter klebende Hamster, der aus unerfindlichen Gründen unablässig aus seinem Käfig herausstarrte und damit für jede Menge Gesprächsstoff sorgte.
Als Lilli ein paar Tage später auf dem Heimweg war, hörte sie, dass jemand in geringem Abstand hinter ihr herging. Sie drehte sich jedoch nicht um, da sie Angst hatte, es könnte eines der Mädchen aus ihrer Klasse sein. Lilli ging ein bisschen schneller, um den Abstand zu vergrößern. Als sie aber in der Schaufensterscheibe eines Ladens ihr eigenes Spiegelbild und das ihres Verfolgers erkennen konnte, sah sie, dass es Jesahja war. Er hatte denselben Heimweg wie sie. Da Lilli inzwischen genau wusste, dass er nicht mit ihr gesehen werden wollte, marschierte sie schnell weiter, ohne ihn anzusprechen. Kurz vor ihrem Haus hörte Lilli ihn dann aber rufen: »Warte mal!«
Sie blieb stehen und lugte vorsichtig über ihre Schulter zurück. Meinte er wirklich sie? Jesahja schaute sich nach allen Seiten um und lief dann zu ihr herüber.
»Lilli, ich wollte …«, begann er. »Ich möchte …« Wieder blickte er unsicher nach rechts und links. »Komm mit!«, sagte er dann und zog sie in die Büsche, wo sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Lilli fand es zwar nicht besonders nett, dass er nur hier mit ihr reden wollte, aber sie war viel zu neugierig, um nicht mitzukommen. Jesahja setzte sich auf die Erde, und Lilli ließ sich neben ihm nieder.
»Ich wollte mich entschuldigen«, erklärte er betreten. Lilli dachte, sie höre nicht richtig. »Ich hätte dir helfen sollen, als du von diesen Zicken rumgeschubst wurdest.«
»Warum hast du es nicht getan?«, wagte Lilli zu fragen.
»Tja … also, das kann ich gar nicht so richtig sagen.« Verlegen knibbelte er an einem Knopf seines Polohemds herum. Lilli wusste nicht so ganz, was sie von dieser Antwort halten sollte, aber wenigstens tat es ihm leid. Sie lächelte bei der Vorstellung, dass er sich Gedanken gemacht hatte.
»Ich wollte dich fragen, wie du das machst«, fuhr er fort. »Das mit den Blumen. So was hab ich noch nie gesehen.« Er blickte sie neugierig an, und Lilli war erleichtert, dass er offenbar keine Angst mehr vor ihr hatte. Sie dachte kurz nach, dann sagte sie: »Wenn ich dir davon erzähle, dann musst du mir dafür erklären, warum keiner wissen darf, dass du ein Buch von Goethe liest.« Entschlossen verschränkte sie die Arme und fügte hinzu: »Es ist ein Tausch. Ein Geheimnistausch!«
Jesahja zögerte und schien abzuwägen, was er zu verlieren und zu gewinnen hatte. Schließlich sagte er: »Okay, aber du fängst an!«
»Na gut.« Lilli blieb wohl nichts anderes übrig.
»Dann hast also wirklich du die Blumen zum Blühen gebracht?«, fragte Jesahja aufgeregt und konnte es anscheinend kaum abwarten, eine Erklärung zu bekommen.
»Ja, das war ich«, erwiderte Lilli. »Aber ich kann das nicht beeinflussen. Wenn ich eine Pflanze mit der Hand anfasse, dann scheint sie irgendwie lebendiger zu werden. Sie fängt dann an zu blühen oder zu wachsen, oder sie kriegt neue Blätter. Blumen, die schon ganz verschrumpelt aussehen, werden plötzlich wieder schön, und knorrige Bäume bekommen neue Triebe.«
»Aber die Büsche hier hast du doch gar nicht berührt …«
»Ja, das stimmt. Es kann auch passieren, ohne dass ich eine Pflanze anfasse.«
»Wie?« Jesahja beugte sich gespannt nach vorn.
»Wenn ich lache. Dann ist es ganz schlimm. Sobald ich lache, blüht alles sofort los. Jedenfalls jetzt im Frühling.«
Jesahjas Augen weiteten sich. »Wenn ich es nicht selbst gesehen hätte, würde ich dir kein Wort davon abnehmen!«
Lilli nickte und fragte
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