Liliane Susewind – Mit Elefanten spricht man nicht! (German Edition)
erklären.«
Jesahja runzelte verwundert die Stirn. Lilli holte tief Luft, um Mut zu tanken.
»Frau von Schmidt«, wandte sich Lilli an die Katze, und diese schaute sofort aufmerksam zu ihr auf. »Jesahja möchte gern wissen, wo Sie gestern Nacht gewesen sind. Er und seine Eltern haben sich Sorgen gemacht.«
Die Katze starrte Lilli zuerst verblüfft an, dann begann sie laut zu maunzen. Jesahja schien das witzig zu finden, und er lachte sofort los. Doch als Lilli weitersprach, verging ihm das Lachen: »Frau von Schmidt sagt, sie ist gestern Nacht wieder bei den Nachbarn von der anderen Straßenseite gewesen. Da darf sie immer auf einem hübschen Sofa schlafen. Aber es wundert sie, dass ihr euch Sorgen macht. Immerhin war das nicht das erste Mal, dass sie über Nacht weggeblieben ist. Ihr müsstet euch doch langsam daran gewöhnt haben.«
Jesahja brachte vor Verwunderung kein Wort heraus. Schließlich murmelte er: »Das stimmt. Sie war schon mehrmals über Nacht weg. Aber woher weißt du das?«
»Sie hat es mir gerade gesagt.«
»Ha!« Jesahja versuchte zu lachen, aber das Geräusch blieb ihm im Hals stecken.
Lilli ahnte, wie verwirrend das alles für ihn sein musste. Sie sprach ganz normal, in Menschensprache, und doch verstand die Katze sie. Ebenso antwortete Frau von Schmidt in Tiersprache, die für alle Menschen unverständlich war – außer für Lilli. Ihr war es selbst ein Rätsel, warum sie die Laute und Rufe der Tiere verstehen konnte. Aber sie wusste immer sofort, was ein Vogelschrei, ein Hundebellen oder ein Mäusefiepen zu bedeuten hatte. Wenn sie dann darauf antwortete, verwunderte es die Tiere oft mehr als sie selbst, denn sie waren es nicht gewöhnt, von Menschen verstanden zu werden. So erging es jetzt auch Frau von Schmidt, die allerdings schnell ihre Fassung wiederfand.
»Frau von Schmidt«, sagte Lilli, »Jesahja hat das Gefühl, dass Sie ihn nicht besonders gut leiden können. Stimmt das?«
Frau von Schmidt reckte zuerst verstimmt die Nase in die Luft und tat gelangweilt, überlegte es sich dann aber noch einmal und begann erneut zu maunzen. Diesmal lachte Jesahja nicht mehr. Fassungslos schaute er der Unterhaltung der beiden zu.
»Es ist nicht so, dass sie dich nicht leiden kann«, übersetzte Lilli, als die Katze fertig war, »aber sie sagt, du hast ihr einmal eine tote Maus vor die Nase gehalten, die sie fressen sollte. Darüber war sie sehr empört. Es ist unter ihrem Niveau, Mäuse nicht selbst zu fangen. Sie findet, du hast einfach keinen Stil.«
Jesahja war sprachlos und saß wie versteinert da.
»Jesahja«, sagte Lilli, »ich kann mit Tieren sprechen.«
Herr von Bonsai und Frau von Schmidt
Am Dienstagmorgen in der Schule war Lilli eine ganze Weile früher im Klassenraum als die anderen, da sie diese Woche Blumendienst hatte. Das hieß, dass sie jeden zweiten Tag die drei Topfpflanzen gießen musste, die auf der Fensterbank standen. Lilli wollte das nicht tun, während die anderen dabei zusahen. Sie achtete beim Gießen zwar genau darauf, dass sie die Pflanzen nicht berührte, aber ein gewisses Risiko bestand natürlich trotzdem, und deswegen kam sie jeden Tag etwas früher. Eine der Pflanzen – eine kränkliche Begonie – konnte durch Gießen kaum noch gerettet werden. Lilli hatte Mitleid mit ihr und hätte ihr gern geholfen, aber es wäre zu auffällig gewesen, wenn sich die Blume über Nacht wieder erholt hätte.
Anders verhielt es sich mit dem Hamster. Eine Zeitlang hatte sich morgens immer dasselbe abgespielt: Sobald Lilli das Klassenzimmer betrat, schoss der Hamster aus seiner Schlafecke, glupschte mit großen Augen durch die Gitterstäbe und verharrte in dieser Position, bis Lilli nach Hause ging. Doch seitdem sie morgens einmal allein mit ihm geredet hatte, war die Zeit der Hamster-Sensation vorbei.
Als an diesem Morgen der Unterricht begann, freute sich Lilli richtig auf die erste Stunde, denn Biologie war ihr Lieblingsfach. Sie wollten heute über Tiere im afrikanischen Dschungel sprechen, aber als der Lehrer die Klasse betrat, schrieb er als Erstes Folgendes an die Tafel: MITTWOCH SCHULAUSFLUG IN DEN ZOO.
Lilli blieb das Herz stehen, und sie vergaß zu atmen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie auf die Tafel. Ausgerechnet in den Zoo! Sie konnte auf keinen Fall mitkommen.
Aber es war wahr. Herr Gümnich erklärte kurz, wo sie sich treffen wollten und um wie viel Uhr sie alle da sein sollten, dann fing der Unterricht ganz normal an. Es wurde über Giraffen
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