Liliane Susewind – Rückt dem Wolf nicht auf den Pelz! (German Edition)
ihr Kinder allein! Dann erklärst du ihm, dass wir ihn zu einem neuen Rudel bringen, und anschließend fahren wir ihn in die Lausitz. Dort wird der zuständige Förster uns empfangen. Er ist ein Bekannter von Oberst Essig …«
Lilli hörte ihr zu und strahlte von einem Ohr zum anderen. Das war ein toller Plan, der Askan garantiert gefallen würde! Denn der Wolf war zwar froh, dass er nun nicht mehr fortgejagt wurde, aber er war noch immer sehr einsam. Lilli quiekte vor Freude und drückte ihrer Mutter einen dicken Kuss auf die Wange.
Eine Woche verging. Lilli und Jesahja überließen es ihren Eltern, Askans Umzug zu planen. Die Erwachsenen telefonierten viel und engagierten sich sehr für den Wolf. Frau Susewind widmete dem Thema sogar eine komplette Talkshow-Stunde, in der sie sich flammend für die Freiheit der Wölfe einsetzte.
Am Sonntagmorgen war Familie Susewind gerade mit dem Frühstück fertig, als es an der Tür klingelte. Lilli öffnete. Vor ihr stand eine große, Achtung gebietende Frau mit pfeilgeradem Rücken und strengem Haardutt. »Liliane«, grüßte Frau Essig-Steinmeier knapp. »Schön, dich zu sehen. Im Zoo hast du dich ja in letzter Zeit selten blicken lassen.«
»Ich war mit Askan beschäftigt!«, erwiderte Lilli. »Aber ich komme bald wieder vorbei.« Sie vermisste den Zoo, die Pfleger und vor allem die Zootiere.
»Freut mich zu hören.« Die Direktorin nickte steif. »Alles fertig?«, fragte sie dann.
»Ja!«, rief Lilli kribbelig. »Wir sind gleich so weit.« Hinter ihr machten sich ihre Eltern und ihre Oma startklar und zogen dicke Jacken und Schals an. Bonsai konnte es ebenfalls kaum erwarten. »Jetzt geht’s ab!«, bellte er fröhlich. »Wir fahren total weit weg und dann sind wir da, wo wir hingefahren sind!«
»Ich sag den Sturmwagners Bescheid!«, rief Lilli und flitzte zum Nachbarhaus hinüber. Jesahja und seine Eltern wollten es sich nicht nehmen lassen, ebenfalls mitzufahren und Askan zu seinem neuen Zuhause zu bringen.
Die Sturmwagners kamen ihr auf dem Rasen hinter den Büschen, die die beiden Grundstücke trennten, schon entgegen. Frau von Schmidt tippelte voran und war der festen Überzeugung, dass sich der ganze »wunderbare Wirbel« allein um sie drehte.
Nachdem sich alle vor dem Haus der Susewinds versammelt hatten, rief Frau Essig-Steinmeier: »Mir nach!«, hob den Arm wie zum Startschuss in die Luft und stieg mit zackigen Bewegungen in ihr Auto. Die Sturmwagners fuhren bei ihr mit, die Susewinds nahmen ihren großen Kombi.
Nachdem sie im Schritttempo zwischen den lauernden Reportern vor dem Tor hindurchgefahren waren, ging es flott zum Wald. Dort wartete Oberförster Horst bereits auf sie, und gemeinsam marschierten sie in den Wald hinein.
Lilli war so aufgeregt, dass ihr Mund trocken war wie Sandpapier. Sie konnte es kaum erwarten, Askan die guten Neuigkeiten zu erzählen.
Während Lilli lauthals: »Askaaan! Wo bist du?« schrie, bellte Bonsai immer wieder »Wolf-Kumpel! Hallo!?«
Da hörte Lilli, wie einige der Waldtiere ihren Ruf aufnahmen und ihn wiederholten, als wollten sie ihn weitertragen. Kurz darauf erklang im ganzen Wald ein bombastisches Echo ihrer Worte: Hunderte von Tierstimmen zirpten, piepsten und quäkten Lillis Frage weiter. »Wo ist Askan?«, zwitscherte ein Vogel zum nächsten. »Habt ihr den Wolf-Kumpel gesehen?«, rief ein hundeartiges Tier dem anderen zu.
Nach einer kleinen Weile brachten Dutzende von Stimmen eine Antwort zu Lilli zurück: »Er kommt. Wir haben ihm Bescheid gesagt. Warte hier.«
Lilli und die anderen mussten nur wenige Minuten ausharren, dann stand er vor ihnen: der schöne, große Wolf mit seinen hellen, klugen Augen. »Lilli!«, grüßte er erfreut.
»Askan!« Lilli umarmte das Raubtier. Dann erklärte sie ihm, was sie vorhatten, und Askans Augen leuchteten auf.
»Ein neues Rudel?«, fragte er sehnsüchtig. »Wirklich?«
»Ja! Bald wirst du nicht mehr allein sein. Komm mit!«, rief Lilli mit vor Freude kieksender Stimme und lief voraus. Askan und die anderen folgten ihr zurück zu den Autos. Dort bat Lilli den Wolf, in den großen Kofferraum ihres Kombis zu springen. Askan zögerte kurz, aber er vertraute Lilli und stieg in den Wagen.
Anschließend fuhren sie los. Oberförster Horst folgte ihnen in seinem Auto. Auch er wollte Askans Rückkehr in die Wolfswelt nicht verpassen.
Die Fahrt war weit und dauerte lange. Nach einiger Zeit fing Frau von Schmidt an, sich über die »unzumutbaren Reisebedingungen« zu
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